Ich kann eine Strecke fahren, einen Weg, den ich vor zwanzig Jahren oder vor noch längerer Zeit gefahren bin, da gelange ich plötzlich an eine Kurve, in ein Waldstück, an eine Kreuzung, einen Bahnübergang, eine Ortseinfahrt und der Flash- Back ist da. Untrüglich. Worte, eine Musik, Gedanken oder was auch immer stellen sich ein. Für immer damit verbunden auf meine limitierte Ewigkeit. Die Erinnerung schlummert tief im Verborgenen, im vermeintlich Vergessenem, wird aber urplötzlich aus ihrem Dornröschenschlaf gerissen. Bilder fliegen heran und wieder fort. Töne dringen in mein Ohr, Worte, ich sehe ein Lächeln, verspüre den großen Mut, alles zu ändern, von vorn zu beginnen.
Eine Stunde, ein Tisch. Zwei Stühle. Die Geräuschkulisse um uns herum blendet sich weg. Und sie wird immer deutlicher. Diese Stimme. Sie erzählt von ihrem Leben, aber auch von meinem. Wie in einem Hörbuch eine Geschichte von jemand anders gesprochen wird. Ich lehne mich zurück und sehe mich konfrontiert mit meinen Gedanken, die ich tief und fest verschlossen in mir wähnte, die aber ein anderer Mund jetzt artikuliert. Auf eine angenehme Weise paralysiert höre ich zu, lasse mich selbst nicht zu Wort kommen, tauche ab in den Klang dieser Stimme. Die Wortwahl fasziniert mich. Jemand anders liest meinen Ideenspeicher aus. Hier wäre jede Firewall machtlos. Fragen unterstreichen das Interesse.
Ich spüre, sie wird nicht ausreichen, diese eine Stunde, die verfliegt wie im Zeitraffer. Ja, erzähle mir, erzähle mir von dir, von deinem Leben. Erzähle mir von deinen Zweifeln, von deinen Wünschen, von deinen Träumen. Ja, sprich zu mir. Was sagst du da? Sag es lauter. Und wenn du magst, erzähle ich dir von mir. In anderen Stunden, zu anderen Zeiten. Später, aber schon bald.
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