Tonight

 

Wissant

Wissant (zur Musik aufs Foto klicken)

Ja. Ich wollte es ja so. Und nun habe ich es so, wie ich es gewollt habe. Den Kopf gegen die eigene Vernunft durchgesetzt. Nun kreisen schreiende Möwen über mir, bei denen ich mich allen Ernstes frage, ob sie mich begrüßen oder verlachen, mich, den einsamen Strandwanderer an diesem Freitagmorgen im Februar. Wie spät es ist, weiß ich nicht. Irgendwas um halb Neun kann es sein. Ich spüre, wie der Wind mir den Nieselregen ins Gesicht, aber immer wieder auch dieses Lächeln vor die Augen drischt. Und immer noch und immer wieder lächele ich zurück und in mich hinein, damit der Wind es mir nicht aus den Mundwinkeln fegt. Wie lange war ich schon nicht mehr hier? An diesem Stand?  Es ist viel passiert seit dem letzten Mal. Den Hut ziehe ich tiefer ins Gesicht, den Reißverschluss meiner Jacke noch die letzten Millimeter weiter nach oben.  Die Fototasche zerrt schwer an meiner linken Schulter. Ich freue mich auf einen heißen Kaffee. Auf ein frisches Croissant. Der Kopf ist wohlwollend gefüllt mit der Musik von gestern Abend. Und den Gesprächen in babylonischer Vielfalt. Italienisch, Englisch, Französisch, sogar Deutsch. Lachen, immer wieder Lachen. Bis tief in die Nacht. Nicht mehr auf der Bühne, sondern dahinter. Hier sitzen Freunde zusammen, hier ist jetzt für ein paar Stunden meine Heimat, hier fühle ich mich so wohl wie schon lange nicht mehr.  Das Meer ist so grau wie der Himmel. Und Englands Kreideküste ist heute gewiss nicht zu sehen. Das Wasser klatscht gegen das Ungetüm aus Beton und Eisen. Dem Relikt aus unseliger deutscher Vergangenheit. Wie viele Jahre wird das salzige Nass brauchen, um es  gänzlich zu beseitigen? Ich werde es wohl nicht erleben. Reisen tut gut. Leben auch. Und ich will noch eine gute Zeit in diesem Leben. Gute Reisen kann man doch buchen, gute Zeit auch? Irgendwo vielleicht?

Werbung

The Water Is Wide

The Water Is Wide

The Water Is Wide (zum Musikclip aufs Foto klicken)

Die ewige und heute ausgesprochen sanfte Brandung, quirlige, weiße Schaumkronen, die sich ein letztes Mal brechen, bevor sie im Takt des Wellengangs an Land geworfen werden. In sich aufgelöst. Der Sand ist weich, jeder Fußabdruck wird vom salzigen Wasser gleich wieder glatt gespült. Ich sehe mich, wie ich gemächlich den fast menschenleeren Strand entlang spaziere. Ohne Ziel. Einfach nur so von hier nach dort. Einfach nur, um etwas zu tun. Das Warten allein genügt nicht mehr. Das drängende Bedürfnis ist da, es auszufüllen. Dieses Überbrücken von unerfüllter, sehnsüchtiger Zeit. Dir ein paar Schritte näher zu sein. Wie weit kann man sehen? Bis zum Horizont. Dahinter geht es ja bekanntlich weiter. Doch die Erdkrümmung verhindert den Blick darauf. Flut, Ebbe, Flut, Ebbe. Ich zähle die Gezeiten und bin unterwegs in der Zeit. Auf der Da-Muss-Ich-Durchreise. Mitten drin im schalltoten Dazwischen. Stagnierend und trotzdem in permanenter Bewegung und schon nicht mehr im gestrigen Da und auch noch nicht wieder im morgigen Dort. Der Wind, der von der anderen Seite des Ozeans kommt, ist leicht streichelnd, ja fühlbar beschwingt. Er flüstert mir leise, kaum hörbar zu „Komm, ich erwarte dich.“ Doch das Wasser ist weit und ich werde es nicht schaffen, hinüber zu schwimmen. So bleiben mir das unstete Wandeln und das ungeliebte, ungeduldige Warten in Ruhe und in Unruhe gleichermaßen. Die Sonne steht bereits tief und sie wird bald untergegangen sein, als orange- roter Feuerball. Völlig klischee- und postkartengerecht. Hinter meinem Horizont. Für dich wird sie dort weiter scheinen. Noch etwa sechs Stunden lang.

Umbrisches Tagebuch – Teil 9 – 07.02.2010 – Roseto degli Abruzzi

 

Strandburg einmal anders

Nach der Saison ist vor der Saison. Man muss eine der Bahnunterführungen nehmen, um direkt an den Strand der blau besungenen Adria zu gelangen. Die Bahnlinie trennt die Küstenstraße vom direkten Zugang. Und blau ist sie nun beileibe nicht, die Adria, eher grau und heftig wellig bewegt. Ok, wir haben gerade Anfang Februar, seltsam, dass man dem Süden, zu dem Italien nun mal zweifellos gehört, so gar keinen Winter zugesteht. Der Temperaturzeiger markiert 6 Grad Celsius, immerhin über Null.

Im Hotel- TV konnte ich im Wetterbericht sehen, dass der Norden des Landes im Schnee versinkt. Selbst die Toscana ist weiß bedeckt. Weiße Dächer in Florenz. Der Winter hat Europa immer noch fest im Griff.

Warum also murren oder hadern? Ein paar Spaziergänger mit oder ohne Hund und Jogger mit oder ohne Stirnband nutzen den Sonntagmorgen für ihre Aktivitäten.

Je mehr ich in mich hinein horche, umso mehr spüre ich, dass ich gar keine Lust habe, weit zu fahren. So beschließe ich in Roseto, das keine 10 Kilometer nördlich von Pineto liegt, Station zu machen. Dieser Ort gruppiert sich lang gezogen im Prinzip um die Via Nazionale. Es gibt ein paar Parallelstraßen rechts wie links.

Im Sommer wird hier wohl die touristische Hölle sein. Davon ist natürlich heute nicht viel zu bemerken. Ein Gruppe Kirchgänger verlässt das Gotteshaus Santa Filomena.

Blick vom Hotel

Nach einigem Suchen finde ich ein offenes Hotel direkt an der Strandpromenade. Der Übernachtungspreis liegt bei vorsaisonalen, erschwinglichen 30 Euro. Ich beziehe mein Zimmer im 2. Stock mit Balkon und direktem Meeresblick. In der Hauptsaison kostet dieses Zimmer das Doppelte, wie mich ein bedrucktes Din A Blatt an der Innenseite der Eingangstür belehrt.

 Eine unwiderstehliche in mir aufkeimende Müdigkeit lässt mich sanft aufs Bett kippen und nach wenigen Minuten bin ich im Reich der Träume.

So gegen zwei Uhr bin ich wieder wach, schultere die Kameratasche und mache mich auf einen kombinierten Strand- und Stadtbummel.

Roseto - Strand

Roseto - Strand

Ein mittelstarkes Windchen bläst vom Meer aufs Land. Die Luft ist frisch und tut gut. Sie schmeckt ganz leicht salzig. Ich atme durch, fühle mich wohl.

Die letzten Tage waren so prall gefüllt mit Erlebnissen und Begegnungen. So bin ich froh, jetzt endlich Gelegenheit zu haben, dies allmählich zu verdauen.

Vielleicht klingt das verrückt, aber ich genieße es, wieder allein zu sein und Abstand zu bekommen. ´Distanz ist wichtig, um gerade die schönen Dinge wertschätzen zu können. Im Trubel der zahlreichen gleichzeitig auf einen einwirkenden Ströme kann man das gar nicht wertschätzen. Jedenfalls kann ich das nicht. Jetzt ist die Zeit, alles zu sortieren und das „Merkwürdige“ zu fundamentieren.

Ab und zu bleibe ich stehen, wenn mir ein interessantes Motiv auffällt, um es dann mit der Kamera aufzufangen und fest zu halten.

Eine Menge Treibgut, Müll und Hundekothaufen haben sich angesammelt im Sand, in dem im Sommer sich tausende Sonnenhungrige auf ihren Badetüchern und Liegen aalen. Die Strandbuden sind verwittert und wirken verwahrlost. Die Farbe blättert ab. Werbeflächen sind ausgeblichen und kaum noch lesbar. Türen sind aus vom Rost angefressenen Schlössern gesprungen. Fensterscheiben zu Bruch gegangen. Strandmatten flattern  zerfleddert im Ostwind.

Roseto - Strandidylle

Roseto - Strandidylle

Die Hörer meines MP3- Players drücke ich in die Ohren. Die Zufallswiedergabe ist eingestellt. Als erstes erwische ich Maurizios «I Like  It Like That». Ich muss schmunzeln. Es ist noch keine 24 Stunden her, dass ich den Titel live gehört habe. Dieser Song ist ein wenig „retro“ angehaucht. Er könnte aus den Fünfzigern stammen. Maurizio’s Gitarre klingt stellenweise sehr „italienisch“ nach Mandoline. Der Titel hat den unverhohlenen Charme einer Epoche, in der viele Deutsche sich erstmalig in ihren VW- Käfern mit dem Gepäck auf dem Dach wieder über die Alpen trauten, in den Süden, in die Sonne, nach Italien, eben an die Adria. Ich stelle mir eine Gelateria von damals vor, junge Leute, eine Jukebox und dann Ray’s Stimme, die warm und sanft ist und mit leichtem Knistern unterlegt und bei der Textzeile „Drowning in the river of love“  ganz tief nach unten geht.

Nach zwei, drei Kilometern Strandwanderung biege ich nach rechts und damit stadteinwärts. Die Hauptstraße ist wie ausgestorben. Auf der anderen Straßenseite schlufft ein alter Mann mit tief ins Gesicht gezogenem Hut das Trottoir entlang. Ich sehe eine Mutter mit Kinderwagen, ein paar gelangweilte Jugendliche, die ziel- und lustlos eine zerbeulte Coladose vor sich her kicken.

Roseto - Bahnhof

Roseto - Bahnhof

Die zahlreichen Geschäfte sind geschlossen. Selbst der Bahnhof wirkt ausgestorben. Klar an einem Sonntagnachmittag. Ein paar Cafés und eine Eisdiele sind geöffnet. Die Stimmung erinnert an eine verlassene etwas modernere Westernstadt. Es fehlen lediglich ein paar verdorrte Kakteen, die vom Wind getrieben über die Straße wehen.

In einer Seitenstraße mache ich ein Internetcafé aus, das ebenfalls geschlossen ist. Um seine Existenz, Lage und Öffnungszeiten zu wissen ist allerdings eine gute Sache, so beschließe ich, am folgenden Tag erneut herzukommen, um mit meinem anderen Leben wieder einmal Kontakt aufzunehmen.

Als ich ins Hotel zurückkomme, bemerke ich, dass im Restaurant einige Leute sitzen. Es ist also offen. Ich habe mächtig Hunger, so setze ich mich an einen freien Tisch. Auf die Frage, ob ich hier etwas zu essen bekommen kann, antwortet der Ober: „Ma si, Dottore!“, und legt mir die Speisekarte hin. Für 12 Euro kann ich ein komplettes Menü bekommen. Also her damit! Gemischter Salat. Weißbrot. Penne alla rabiata. Piccata alla Milanese. Dazu eine Halbliterkaraffe mit Wasser und eine mit Rotwein. Als Dessert noch Panna Cotta mit Johannisbeeren gefolgt von einem dieser tiefschwarzen Kaffees und einem Grappa („Kill the coffee and do it the old grappa way…“) und Herr Gardner ist zufrieden, hoch zufrieden.

Roseto - Notte

Roseto - Notte

Genau in diesem insgesamt „runden“ Gefühl begebe ich mich auf mein Zimmer. Das italienische Fernsehprogramm ist ganz übel durchsetzt mit fürchterlichen Shows, die allabendlich über die Bildschirme flackern. Nichts für mich, so höre ich noch etwas Musik und irgendwann bin ich dann im Reich der Träume.

Bretonisches Tagebuch Teil 2: Dinard, Côte d’Émeraude

 In loser Reihenfolge werde ich den Bericht zu meiner Reise in die Bretagne im August 2009 fortführen. Heute also Teil 2: Dinard, Côte d’Émeraude
Strand von Dinard

Strand von Dinard

Mittwoch, 19.08.2009

Heute geht es weiter nach La Chèze  zum dortigen Bluesfestival, dem Hauptgrund meiner Reise in die Bretagne. Ich habe wenig bis keine Ahnung, was mich dort erwartet, aber die Vorfreude sendet positive Signale.

Da ich mich erst für den späten Nachmittag angekündigt habe, kann ich mir Zeit lassen und werde deshalb noch etwas an der nördlichen Küste verweilen. Den Campingplatz in Cancale verlasse ich so gegen 9 Uhr, das Minizelt war schnell abgebaut und verstaut.

Jetzt geht es entlang der Küste Richtung St. Malo. Immer wieder geht mein Blick aufs Meer, hier und da halte ich an, um einige Fotos zu machen.

Côte d'Émeraude

Côte d'Émeraude

Ich beschließe, nicht nach St. Malo hineinzufahren und entscheide mich für einen Kurztrip nach Dinard. Erinnerungen werden wach als ich am Gezeitenkraftwerk an der Mündung der Rance ankomme: 1970 war ich das erste Mal in der Bretagne, in St. Brieuc, der Partnerstadt meiner Heimatstadt Alsdorf. Ein Tagesausflug bescherte uns eine Bootsfahrt auf eben diesem Fluss von Dinan bis hierher. Ich beginne zu rechnen. Ist das wirklich schon 39 Jahre her? Manche Gesichter tauchen im Geiste auf, Namen fallen mir ein. Ich weiß noch ganz genau, dass wir als Proviant hart gekochte Eier dabei hatten, die gar nicht appetitlich rochen. Daran sie zu essen, war nicht zu denken. So haben wir sie als Wurfgeschosse umfunktioniert, auf vorbei treibende Holzstücke gezielt und dies zu treffen versucht. Ehrlich, so etwas fanden wir damals lustig…

Rance- Das Gezeitenkraftwerk

Rance- Das Gezeitenkraftwerk

Bevor ich Einzug halte in den alten Badeort, der übrigens sehr von Briten bevorzuget wird und den man Nizza des Nordens nennt, mache ich noch einen Stopp in einer Niederlassung einer amerikanischen Systemgastronomiekette. Es ist eins der Häuser mit dem großen, gelben M, das schon von weitem nicht zu übersehen ist.

Der Grund meines Stoppens ist nicht der eher fragliche kulinarische Aspekt, sondern der, dass es in diesen Etablissements in ganz Frankreich wohl freie Hotspots gibt, WiFi oder Wlan, ermöglichen ein Anzapfen des Internets. Hier ist das Ganze zudem kostenlos. Also nehme ich mein elektronisches Notizbuch, setze mich an einen Tisch und bin gespannt, ob und wie das Ganze funktioniert.

Es ist ganz einfach, das Notebook findet ohne Umschweife das Netz, man wählt sich auf die hauseigene Seite des großen M’s ein, bestätigt die Nutzungsbedingungen und schon geht es los.

Ich bin neugierig auf meine Emails. Es warten über 20 auf mich. Die meisten wandern gleich in den elektronischen Mülleimer, über zwei, drei freue ich mich sehr, was mich gleich zu antworten motiviert. Dann schnell noch ein paar Blicke auf meine Lieblingsseiten im WWW und schon meldet das System Akkuschwäche.

Dieser kurze und beruhigende Abstecher in heimatliche Gefilde, der Kontakt mit den lieben Menschen daheim, das tut gut für den Moment. Immerhin habe ich außer mit der etwas mürrischen Dame an der Rezeption des Campingplatzes von Cancale, bei der ich meine Rechnung für den Aufenthalt zahlte, noch mit niemanden gesprochen an diesem Tag.

Ich fühle mich sauwohl. Das Nomadenleben macht mir wieder so richtig Spaß. Die Sonne scheint, der Himmel ist sowas von blau, jetzt gilt es nur noch einen Parkplatz in der Stadt zu ergattern. Nach einigem Kurven findet sich auch eine Parklücke mitten in der City.

Da ich während der Suche schon eine unfreiwillige Stadtrundfahrt gemacht habe, fällt mir die Orientierung jetzt leicht. Ich begebe mich hinunter zum Strand.

Strand von Dinard

Strand von Dinard

Wir haben immer noch Ferien in Frankreich, Dinard ist voller Menschen. So auch der Strand. Ich stehe an der Promenade und tauche ein in die lebende Kulisse zu Eric Rohmers Film «Conte de l’été» aus dem Jahr 1996. Auf Deutsch trägt er den Titel «Sommer». Der Film ist aus seinem Vierjahreszeitenzyklus und erzählt die Geschichte eines Sommers, in dem der Student Gaspard Entscheidungen in puncto Leben und Liebe treffen muss. Drei äußerst unterschiedliche Frauen, die er in Dinard trifft, machen ihm diese Entscheidung nicht gerade leicht. Ein Film voller interessanter Dialoge, schönen Bildern und mit sympathischen Darstellern.

Gaspard et Margot

Conte d' été von Eric Rohmer (Gaspard & Margot)

Die Idee schießt mir in den Kopf, das Café zu suchen, in dem Margot, eine der Hauptfiguren im Film als Ferienaushilfe arbeitet. Während ich so die Uferpromenade entlang schlendere, kommt mir der Song «Santiano» in den Sinn. Ich fange an, ihn vor mich her zu summen. Er spielt in dem Rohmer Film eine Rolle, aber auch in meinem Leben, hier in der Bretagne habe ich ihn damals zum ersten Mal gehörtdamals eben vor 39 Jahren, und die Version des französischen Sängers Hugues Aufray, der mittlerweile auch schon 70 Jahre zählt (töstlich!!), war da  ein Hit und reifte zum Wurm in meinen Ohren. Es gibt Situationen, die man auf ewig mit bestimmten Musiken verbindet, dies ist so eine, die unweigerlich mit dem Jahr 1970 verbunden ist. Zumindest für mich. Später als ich anfing, selbst Musik zu machen mit bretonischen, irischen und deutschen Folksongs, war dieses Lied auch im Repertoire.

Die Leuchtfeuer von Saint Malo, der Stadt Dinard gegenüber auf der anderen Seite der Rance- Mündung,  finden in diesem Seemannslied Erwähnung und eben auch eine Frau mit Namen Margot.

Ich beginne in Erinnerungen zu schwelgen, die durchsetzt werden mit Szenen aus dem Film von Eric Rohmer. Hätte ich mir doch nur den Film kurz vor der Abreise noch einmal angesehen, ich tue mich schwer, irgendeinen Platz auch nur annähernd wieder zu erkennen. Schließlich stehe ich vor einer Art Trockendock, auf dem zwei reparaturbedürftige Schiffe liegen. Ich mache ein, zwei Fotos, gehe weiter bis zur Kaimauer. Die Worte „Warum auch nicht?“ im Kopf fotografiere ich eine Häuserfront an der Place Jules Boutin.

Das Filmcafé

Das Filmcafé (oben rechts)

Erst zu Hause, weil mich die Neugier nicht ruhen ließ, und ich mir den Film dann doch noch einmal zu Gemüte geführt hatte, stellte ich dann jubelnd fest, dass dieses Café, genau das Filmcafé just auf diesem Foto mit der Häuserfront zu sehen ist. Nur ist es „im richtigen Leben“ gar kein Café, sondern wohl eher eine Wohnung.

Bedingt durch das milde Klima des Golfstroms gedeihen hier in Dinard Palmen. Das gibt dem Ganzen ein mediterranes Flair. Nizza eben. Unter einer dieser Palmen nehme ich auf einer Bank Platz, schaue versonnen auf die Bucht, die Tour Solidor, einen Turm, der Bestandteil der Festungsanlage um St. Malo ist, sehe eine Gruppe von Menschen, die geduldig auf die Ankunft der Fähre wartet. Hier stieg auch im Film Gaspard aus und später wieder ein.

Tour Solidor in St. Malo

Tour Solidor in St. Malo

Es ist Mittagszeit, während am Hauptstrand Hochbetrieb herrscht frönt die Geschäftswelt der Stadt der Siesta. Die meisten Läden sind geschlossen.

Das nächste Ziel, das ich anvisiere, ist Erquy. Der Strand hier ist mir noch aus frühen Jugendtagen vertraut, Nostalgie ist angesagt. Diese vergeht aber alsbald im Stau kurz vor dem Badeort und spätestens bei der der vergeblichen Parkplatzsuche und den Massen Sonnenschirm, Kühlboxen und Klappstühlen bewaffneter Menschen, die sich karawanenartig Richtung Strand bewegen, ändere ich meinen Plan und beschließe, der Küste vorerst den Rücken zu kehren und nach direkt La Chèze zu fahren. „Dann bin ich eben etwas früher da…“, denke ich und stelle das Navi auf seinen neuen Zielort ein.

Bretonisches Tagebuch: Teil 1: Erste Urlaubstage – Normandie bis Cancale

Boote in FécampCancale 17.08.2009

Gelandet. Gott bin ich nicht, aber zumindest wieder in Frankreich, das heißt, nicht ganz, ich bin in der Bretagne. Es lebe der kleine Unterschied. Der Tacho zeigt 847 km Wegs. Alles ist glatt gelaufen. Kleinere Staus an den Péage- Stationen sind verzeihlich, immerhin haben wir in Frankreich noch Hauptferienzeit.

 Dementsprechend voll sind die Campingplätze, in St. Valréry en Caux musste ich dann auch gleich eben wegen „überfüllt“ passen. Sei’s drum ich habe tollen Ersatz gefunden, ein paar Kilometer weiter, auf den Klippen von St. Pierre….

 Die Kameratasche nebst Inhalt gepackt und bis zum Rand der Klippen. Tolle Aussicht auf das Meer. Meer, endlich wieder Meer! Der Geruch archaisch vertraut, erwünscht und herbeigesehnt.

 Warum nicht den steilen Weg hinunter bis zum Strand? Weil der Weg hinauf mindestens genau so steil ist. Ach, was soll’s…

Hier ein Foto, da ein Foto. Drei junge Menschen, die sich in die Fluten stürzen. Warm wird das Wasser nun gerade auch nicht sein. Respekt!

 Der Weg hinauf verführt zur Schnappatmung, der ich dann munter fröne. Meine Waden werden härter, der morgige Muskelkater ist mir gewiss.

 Ermattet sinke ich auf die Matratze im Auto. Hier will ich sein, hier geht’s mir gut. Ich schließe die Augen, ein paar Gesichter huschen vorbei. Eins immer wieder und immer wieder ganz deutlich.

 Werde ich träumen? Wovon? Ein Traum wird doch gerade wahr. Einer. Ja der, mahne mich und der andere? Ich mahne mich weiter und zwar zur Geduld.

 Irgendwann, so kurz nach 22Uhr döse ich über meinen Träumen sanft ein. Irgendwann, so kurz nach vier Uhr dreißig werde ich wach. Durst. Ich suche nach der Wasserflasche. Der Sichelmond scheint mir durchs linke Fenster. Tausende Sterne funkeln. Ein paar kleinere Wolken ziehen vorbei.

 Mir geht’s gut.

 Irgendwann werde ich wieder wach und es ist schon hell. Der gesamte Himmel ist ein wolkiges Grau getaucht. Von aufgehender Sonne keine Spur. Hm.

 Die Uhr zeigt kurz nach sieben. Ich drehe mich noch einmal herum. Normalerweise wäre es Zeit zum Aufstehen. Der Kölner Nachbar ist auch schon munter. Drei-, viermal schließt er sein Auto auf, Türen knallen, er schließt wieder ab. Die Blinker tun das, was sie am besten können: Sie blinken und das jedes Mal.

 Irgendwann ist es acht Uhr. Ich denke an die, die gerade zur Arbeit rollen, krabbele aus dem Auto, strecke und recke mich vorschriftsmäßig und spüre meine Waden. Oha. Nichts mehr bin ich gewohnt. Vielleicht lässt sich ja in den nächsten Tagen daran etwas ändern.

 Ein Blick auf die Karte. Cancale wird das Tagesziel. Vor 13 Jahren entdeckt. Mit Blick auf den zwischen Normannen und Bretonen jeweils für sich reklamierten Mont St. Michel.

Pont d'Avale001_resize

Falaise d'Aval

 Hier sitze ich nun, ei einem Glas Cinsault, Rosé, fast Gris. Nach einigen Irrungen und Wirrungen rund um Caen, aber mit erfolgreichem Besuch eines Carrefour, der mir neben diesem äußerst schmackhaften Cinsault auch noch das dringend benötigte Campinggas, einen Camembert, Moutarde de Dijon, eine Baguette, ein paar Tomätchen, ein 10- Pack Kronenbourg bescherte.

 Zuvor habe ich noch in Étretat Halt gemacht, Fotos vom Falaise d’Aval , der Strandpromenade, den Standpromenierenden, den Beschäftigten des Strandcafés, die emsig Tische und Stühle aufstellen, die Softeismaschine auf Trab bringen.

Pont de Normandie

Pont de Normandie

 Toll auch wieder der Ritt über den Pont de Normandie, dieser atemberaubenden Brückenkonstruktion bei Le Havre, kurz bevor die Seine ihr wohl verdientes Ende im Meer findet. Die fünf Euro Wegezoll ist dies an Achterbahnfahren erinnernde Erlebnis allemal wert.

 Um meinem Muskelkater zu trotzen, bin ich eben einige 1000 Meter an der bretonischen Seilküste entlang balanciert. Habe Fotos gemacht.

 Zurück auf dem Campingplatz, wo in der gegenüber liegenden Nachbarschaft das Patriarchat freudige Urständ feiert: Er: „Zwei Dinge, die ich jetzt unbedingt benötige: Das französische Wörterbuch und ein Glas von dem Rotwein!“

 Und sie bringt ihm brav beides und er doziert im Weiteren über den Unterschied zwischen „sale“ (schmutzig) und „salé“ (gesalzen), zwei Wörter, die sie bei ihrem nächsten Einkauf besser nicht vergessen haben sollte.

Sonnenaufgang

 Cancale. 18.08.2009 Um 7:14 war ich pünktlich zum Sonnenaufgang über der Normandie wach. Der rote Ballon hob sich relativ schnell und zog eine Spieglespur in der Bucht von Mont St. Michel.

 Ich war heute im Ort und habe den einzigen dortigen Internetverbindungspunkt gefunden. Dem Office de Tourisme und dessen netten Angestellten  sei Dank. Das Café heißt „Carpe Diem“, was in französischer Aussprache erst einmal verstanden sein will. Nach einer beherzten Nachfrage habe ich verstanden und nicht nur den Tag ergriffen, sondern auch die Datenleitung. 27 Emails lauerten auf mich, keine eigentlich wichtig. Nun denn.

 Dann bin ich noch zum Port de Briac, der weniger ein Hafen als vielmehr eine kleine schnuckelige Badebucht ist. Wie häufig hier im Nordteil der Bretagne findet man von den Gezeiten abgeschroffte Felsen, dazwischen grauen, rauen Sand und eher weniger die gülden gefärbten Strände, dazu müsste man sich in den Süden bewegen. Das Wasser ist klar, ein paar Motor- und Segelboote haben in der Bucht festgemacht, Kinder, Frauen, Männer auf großen Badetüchern frönen dem Sonnenbad. Andere planschen in seichter Ufernähe.

 Gegen drei bin ich zurück auf dem Campingplatz, fühle mich irgendwie hundemüde, breite die Picknickdecke aus, zwischen Zelt und Auto, lege mich darauf und bin sogleich im Pays des Rêves, im Land der Träume.

 Es ist angenehm warm, zirka 24 Grad Celsius. Eine sanfte Brise weht vom Meer herüber. Der Magen meldet sich mit der Wehklage: Hunger. Ok. Ok. Ich mach ja schon.

 Die Cipollata brutzeln munter in der Pfanne, ich suche den Senf. Irgendwo wird, ja muss er doch sein. Ich finde ihn dort, wo ich ihn nicht vermutet hatte: In der Kiste mit denn Nahrungsmitteln.

 Der Wein des Abends ist ein „Chemin des Olivettes“, er ist eher schwarz denn rot und stammt aus dem Languedoc. Ich habe ihn gestern im Carrefour erstanden, dem alten Trick folgend: Schaue, welchen Wein die ansässige Bevölkerung kauft, vertraue und kaufe desgleichen. Gesagt, getan und Treffer. Treffer in der Mitte des guten, aber bezahlbaren Weingeschmacks.

Immerhin habe ich es geschafft, die Picknickdecke zu zähmen und wieder sach- und fachgerecht aufzurollen, das, was letzthin noch ein Problem schien, ist somit keins mehr.

 Morgen geht es dann nach La Chèze, dem eigentlichen Ziel und Grund der ganzen Reise. Das Festival beginnt dort am frühen Abend.

 Vorher habe ich noch eine kleine Reise zu den Plätzen, den Wohlbekannten, meiner Jugend geplant: St. Malo, Dinant, Dinard, Cap Fréhel, Erquy, St. Brieuc. Alles werde ich wohl nicht schaffen. On verra. Mal sehen.

 21:39. Allmählich dunkelt es ein. Die diversen Kochgerüche verflüchtigen sich mit der immer noch recht milden Sommerbrise und machen dem Meergeruch wieder Platz.

 Ich bin nicht Gott, aber wieder in Frankreich. Auch er würde sich hier wohl kaum besser fühlen. Alles ist gut. Doch Wünsche hat man, habe ich immer. Beim nächsten Mal dann vielleicht.

Fischerboote in der Normandie

Fischerboote

Fischerboote in der Normandie

Strandidylle

Strand

Kieselstrand in der Normandie

St. Girons Plage

St. Girons Plage

St. Girons Plage an der französischen Atlantikküste 19.04.2006