2. Bretonisches Tagebuch – Teil 6 – Roscoff und St. Quay de Portrieux 25.08.2010

Wednesday Morning

Wednesday Morning

Blues ist für mich, wenn es trotzdem irgendwie immer weiter geht. Es ist weiter gegangen. Trotz Regen und heftigem Wind, die mich gestern an den Rand der Verzweiflung trieben.

Eine Vorahnung lässt mich gegen 5:15 Uhr wach werden. Ich schreibe eine SMS und legte sie auf „Halde“ in den Speicher. Um 6:30 Uhr fängt der Regen an, auf das Zeltdach zu trommeln und der Wind beginnt sein Zerren an meinem dünnhäutigen Schneckenhaus. Der erste Tropfen fällt mir in den Rücken, noch kaum wahr genommen und beachtet. Den Zweiten und den Dritten und erst recht die Folgenden nehme ich schon ernster und sehr persönlich und quittiere sie mit einer Zeltflucht ins dichte Auto.

Da sitze ich nun, ich nasser Tropf und grübele über den Fortgang nach. Das Zelt bei dem Wetter abzubauen, ohne eine dicke Erkältung zu riskieren, scheint mir glatt unmöglich.

Kurz nach Elf stockt der ergiebige Regenguss und ich sehe meine Stunde gekommen: Innerhalb von 15 Minuten habe ich das Zelt abgebaut und leider viel zu nass ins Auto verladen müssen.

Noch schnell zum Empfang und bezahlen, den Müll artgerecht entsorgen. Das war’s dann für mich und den Camping „Les Pins“ in Crozon.

In dem Ort selbst ist ein groß angelegter Markt, deshalb sind gleich sämtliche Durchfahrtsstraßen gesperrt. Die Umleitung (Deviation) ist großzügig ausgeschildert.

Mein Ziel ist Roscoff, die alte Korsarenstadt. Wieder in den Norden der Bretagne. Nicht viel Zeit bleibt, aber es wird reichen für eine Stippvisite. Das Wetter bleibt trüb die ganze Fahrt über. Über Roscoff lässt sich dann ab und an wenigstens ein blauer Hoffnungsflecken am Himmel erkennen.

Meine etwas im Keller ruhende Laune, klettert sogleich wieder einige Stufen in Richtung Parterre. Vorbei fahre ich an dem für Touristen ausgewiesenen Parkplatz. Ich habe das Gefühl, dass das Glück mir heute noch etwas schuldig ist und bekomme Recht, das sich zunächst in einem Parkplatz direkt am alten Hafen manifestiert.

Gegenüber befindet sich eine Friterie, an der ich gleich eine mittlere Portion Kartoffelstäbchen ordere, Senf, Mayonnaise und weitere Zutaten sind als Dreingabe im Preis von 2,50€ inbegriffen.

Friterie

Friterie

Die Nahrungsaufnahme steigert meine Laune um einige weitere Stufen, Parterre ist zumindest wieder erreicht, ich greife mir die Kameratasche und begebe mich auf Erkundungstour.

Möwe

Möwe

Es ist Ebbe und so liegen viele Boote im Hafenschlick auf dem Trockenen. Bei meinem Spaziergang mache ich die Bekanntschaft mit einer Möwe, die weder menschen- noch kamerascheu ist. Vielleicht war sie im früheren Leben mal Fotomodel, denn der Vogel wirft sich sichtlich zuvorkommend in Pose. Das Ganze passiert nur eine halbe Armlänge von mir entfernt.

Roscoff Hafen

Roscoff Hafen

Der Abstecher nach Roscoff erweist sich als wahrer Glücksgriff, in einem Laden finde ich den lang gesuchten Lederhut mit breiter Krempe, der auch noch auf meine „grosse tête“, meinen großen Kopf passt.

So schließt dieser anfänglich eingetrübte Tag mit einer Menge farbenfroher Ereignisse, ich beschließe die Nacht wieder in St. Quay de Portrieux zu verbringen. Mein treues Gefährt bringt mich sicher die etwa 100 Kilometer entfernte Strecke weiter und erneut zum Campingplatz „Bellevue“, den ich exakt vor einer Woche verlassen habe, um nach La Chèze aufzubrechen.

Der Platz wirkt im Vergleich zur letzten Woche bereits sehr ausgestorben, und das, obwohl in Frankreich die Sommerferien erst am kommenden Wochenende zu Ende gehen.

Mond

Mond

Außerdem wird es schon spürbar  früher dunkel und der Vollmond schiebt sich durch die treibenden Wolken. Noch ein kleines Telefonat und die Welt ist wieder rund und alles im ruhigen Fluss.

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