Darf man Wettervorhersagen trauen? Ist es klug, sich darauf zu verlassen? Nach der unfreiwilligen Morgendusche am gestrigen Mittwoch habe ich es mir nicht nehmen lassen, im Internet meteorologischen Beistand anzufordern.
Der sagt für die Bretagne wie für die Normandie und für heute erhebliche, himmlische Wasserfälle voraus.
Gegen 7.30 Uhr scheint sich das schon zu bewahrheiten. Die Regentropfen pochen erneut auf die Außenhaut des Zeltes.
Ok, dann war es das eben. Und bevor ich mir hier den berühmten Tag zuviel antue, werde ich in den Tag hinein bummeln, mir noch etwas die Gegend anschauen, letzte Einkäufe tätigen und gemütlich nach Nordosten Richtung Heimat schaukeln. Denkbar ist auch einfach in die Nacht hineinzugondeln und dann auf deren anderen Seite am heimischen Zielhafen einzulaufen.
Der morgendliche Regengruß ist zum Glück nur von kurzer Dauer, und dennoch werde ich das Oberzelt wieder nicht trocken verstauen können.
Gegen 10 Uhr ist alles gepackt, der Müll brav, so wie es sich gehört, entsorgt. Auf dem Platz selbst herrscht schon so etwas wie Nachsaisonsstimmung.
Vermutlich wird es nach dem Wochenende, an dem in ganz Frankreich, Belgien und in Nordrheinwestfalen die Ferien zu Ende gehen noch um einiges ruhiger.
Ich rolle gemächlich vom Platz, die Rechnung habe ich schon bei der Anmeldung beglichen. Bis zum ersten Stopp ist es gar nicht weit: Gleich rechts vom Strand in St. Quay de Portrieux ist eine Bäckerei mit hervorragenden Teigwaren.
So erstehe ich ein „pain aux raisin“, bei uns landläufig bekannt als Rollkuchen oder Rosinenschnecke und ein „pain au chocolat“, hier Sckocroissant genannt. Beides gereicht zu einem morgendlichen Frühstückshochgenuss,
Zum Verzehr setze ich mich auf eine Bank oberhalb des Strandes, der aufgrund der aktuellen Flut weitaus kleiner ist, als er es vor einer Woche war, als ich an gleicher Stelle saß und aß.
Der Strand ist wenig belebt, es ist ja auch noch relativ früh, immerhin regnet es nicht und die Temperaturen liegen ein angenehmes und gutes Stück über 20 Grad Celsius.
Dann geht’s weiter. In Étables sur Mer biege ich ab und erreiche die Plage du Moulin. Auch dieser Strand ist beinahe menschenleer. Wo vorige Woche sicher noch fast wegen Überfüllung geschlossen werden musste, herrscht jetzt wieder beinah idyllische Ruhe.
Ein paar Fotos und dann weiter zur Plage des Godelins. Hier das selbe Bild wie vorher. Einige Jogger, ein breiter Mann mit einem breiten Hund. La saison morte, die tote Saison, hat bereits begonnen.
In mir spüre ich etwas wie Wehmut aufkeimen, ja, es ist klar: Der Urlaub, die ganze Saison, der Sommer und die Vorfreude auf all das, sie sind passé. Vorbei und aus.
Doch der Blick richtet sich wieder nach vorn auf all die Vorhaben, die Dinge und Begegnungen, die jetzt kommen werden, geplant oder auch eben nicht.
Ich sitze auf der Bank, atme die frische Seeluft ein, schließe die Augen für einen kurzen Moment nur und einen langen, tiefen Gedanken, bei dem mein Herz vor Freude hüpft und ein Lächeln huscht über meine Lippen.
Also: Auf ! Auf!
Der Supermarkt in St. Brieuc bietet mir wieder feinste Crevettes, Käse, Brot und noch ein paar Dinge, von denen ich mir gerne noch etwas mitnehmen möchte.
Gegenüber beim großen M checke ich noch mal meine Mails und schreibe noch eine, in der ich mein heutiges Vorhaben erkläre.
Die Aufnahme mit Superkraftstoff muss ich leider auf eine andere Tankstelle verlegen, weil sich die hiesige nur mittels einer bestimmten Kreditkarte bedienen lässt. Der Kassierer frönt indes seiner sicherlich verdienten Mittagsruhe.
Je weiter ich nach Osten gelange, umso dunkler wird es. Mit dem Überschreiten der Grenze zum Departement „Basse Normandie“ beginnt ein Dauerregen, der mir die nächsten 600 Kilometer das Gefühl geben wird, in einer schier unendlich erscheinenden Autowaschstrasse unterwegs zu sein.
Und wohl gemerkt, was da so aus den Wolken fällt ist kein Nieselregen, es ist die volle Breitseite. Manchmal kann man keine 20 Meter weit sehen. Hinzu kommt das aufspritzende Wasser der vorausfahrenden Autos oder noch schlimmer das der LKW.
In Villers Boccage, kurz vor Caen, muss ich an die Box zum Tanken. Ich entschließe mich, die Autobahn zu verlassen und nach einem Supermarkt nebst angeschlossener Tanke Ausschau zu halten.
Ich werde sogar relativ schnell fündig. Etwas verwundert bin ich schon, das allerdings weniger über den Literpreis für den Sprit von 1,279 €, sondern eher darüber, dass es hier regenmäßig nur noch tröpfelt.
Vielleicht war es ja das jetzt mit diesem Dauerwasserfall.
Schon auf der Beschleunigungsspur beim Einfädeln in den fließenden Verkehr wieder auf die E401 werde ich eines Besseren belehrt: Der nasse Wahnsinn hat kein Ende, sondern einen herzlich brutalen Wiederanfang.
Von den 12 Kilometern um Caen herum, erlebe ich die letzten vier im Stau und somit im Schritttempo, was auch gut so ist, denn aufgrund des nochmals gesteigerten Wasseraufkommens oder besser – niederkommens pro Quadratmeter, wäre eine schnellere Fahrweise wohl weniger angebracht.
Selbst auf dem Pont de Normandie. der Brücke über ddie Seine Mündung bei Le Havre macht die Wasserschlacht keine weitere Pause.
Es hält sich so dran bis ich dann nach Stunden endlich nördlich von Paris auf die A1 komme, hier hört der Regen gänzlich auf.
In ein paar Stunden, so ziemlich genau um 22.55 Uhr werde ich dann zu Hause sein, durchatmen nach diesem Horrortrip, den Telefonhörer schnappen und genau davon erzählen und davon, dass ich wohl behalten wieder angekommen bin.
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