2. Bretonisches Tagebuch – Teil 5 – Crozon 25.08.2010

Café (grande tasse)

Café (grande tasse)

Camping. Für mich immer noch die beste Option auf Reisen Unterschlupf zu finden. Das eigene Schneckenhaus da aufzuschlagen, wo es passt. Und wenn es nicht (mehr) passt, wieder abzubauen. Und weiter geht’s.

Auf manchen Campingplätzen habe ich bisweilen kuriose Dinge erlebt. Es gibt Menschen, die sich vom eigentlichen Zuhause fortbewegen, um genau wieder die Dinge zu tun, die sie dort ebenfalls verrichten würden. Rasenmähen beispielsweise. Oder Trimmen dieses Grüngewächses. Mit dem Zweitrasenmäher bzw. –trimmer. Immer hübsch im Slalom zwischen die aufgestellten Gartenzwerge hindurch.

Letztens wurde mein beschauliches Nomadendasein einen ganzen Nachmittag von intensivem Hämmern begleitet. Da bastelte wohl ein Zeitgenosse im Blaumann an der Perfektionierung des Regenablaufs seines Wohnwagens mit Ziel in die bereitstehende Tonne.

Morgens am Tag darauf, als ich gerade vom Duschen zurückkam, sah ich ihn im Morgenmantel auf einer Trittleiter wieder den Hammer schwingen.

„Du Harry, in welcher Welt leben wir eigentlich?“, höre ich die Stimme von Stefan Derrick sagen. Und fasse mir innerlich an den sich schüttelnden Kopf.

Zehn Tage bin ich jetzt schon wieder unterwegs. Langsam wird es Zeit, den Rückzug zu planen. Immer häufiger greife ich nach der Karte und überlege, wie ich es am besten einrichte, noch etwas Neues zu entdecken in diesem wundervollen Landstrich und mich gleichzeitig wieder einem Punkt zu nähern, von dem ich dann bequem in einer Tour den Heimweg antreten kann.

Crêperie in Crozon

Crêperie in Crozon

Immer noch auf der Halbinsel von Crozon im äußersten Westen der Bretagne. Die „Hauptstadt“ Crozon ist ein hübscher Ort mit zahlreichen kleinen Geschäften und Cafés im Zentrum. Etwas außerhalb findet sich ein riesiger Supermarkt mit allem, was das Konsumentenherz höher schlagen lässt.

Bis zum Badestrand von Morgat sind es schlappe 4 Kilometer. Der Abstecher lohnt auf jeden Fall. Ein breiter Sandstrand erwartet den Sonnenanbeter. Wenn die Sonne dann scheint, am Montag tat sie dies. Heute ist es zunächst einmal regnerisch und grau.

Morgat (Strandcafé)

Morgat (Strandcafé)

Aber das Wetter in der Bretagne ändert sich bekanntlich schnell. Es noch früh, warten wir’s ab.

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2. Bretonisches Tagebuch – Teil 4 – Crozon 23.08.2010

Pointe de Dinan

Am Ende der Welt. Finisterre. Der Himmel ist blau. Kein Wölkchen mehr. Und das nach dieser Nacht. Gegen vier Uhr rappelte der Wind erbarmungslos an meinem Zelt und Regen trommelte unerbittlich auf die Außenhaut desselben.

Das Festival von La Chèze ist nun schon wieder Geschichte, Geschichte der brandaktuellen Jetztzeit zwar, aber immerhin schon wieder Geschichte.

 Und alles war neu und alt, aktuell und mit Vergangenheit. Alte Bekannt- und Freundschaften wurden aufgefrischt und vertieft,Neue geschlossen.

 Natürlich stehe ich noch unter den Eindrücken der letzten vier Tage, sehe noch die Gesichter, höre noch die Stimmen, drehe am Rädchen meiner Kamera und lasse durch die Fotos Revue passieren, was war.

Und das war eine ganze Menge. Musik. Lachen. Worte. Einsichten. Verstehen. Wiedertreffen. Alte Sprachen, neue Sprachen. Musik. Musik. Und nochmals Musik.

Francesco Píu, der Bluesmann aus Sardinien, ein klasse Musiker und Entertainer, dem es Spaß macht Musik zu machen, den Blues zu spielen und der wie kaum ein anderer in der Lage ist, diesen Spaß auch an das Publikum weiter zu geben. Er wartet mit einer Performance auf, dass einem das Herz überläuft vor Freude. Das Ganze geschieht mit einer Leichtigkeit, er weiß seine eigentliche Perfektion gekonnt zu überspielen.

Fancesco Píu in La Chèze

Fancesco Píu in La Chèze

Egal, ob er un Freddie King’s „Tore Up“ oder Sonny Boy Williamson’s  „Don’t Start Me Talking“ zum Besten gibt, er gibt den Titeln eine ganz persönliche Note.

Für mich der Oberknaller: Francesco’s Vesion von Dylan’s „All Along The Watchtower“. Zu hören ist dieser neben anderen wunderbaren Interpretationen auf Fancesco’s empfehlenswerter  gerade erschienenen CD „Live At Amigdalia Theate“, die er mit seinen Begleitmusikern Davide Esperanza (Harmonikas) und Pablo Leoni (Dums & Perkussion) eingespielt hat.

Francesco ist ein Unikum, ein lieber Mensch, der einem sofort ans Herz wächst. Ach so, ganz vergessen: Er spielt seinen eigenen Stil auf der Gitarre, ob Martin oder Dobro, er hat sie beide im Griff. Mundharmonika spielt er auch und Waschbrett, das aber zum Megaphon, durch das er dann Muddy Water’ s „Got My Mojo Workin’“beim Gang durch die Zuhörerreihen intoniert.

Für mich gab es noch weitere neue Highlights an diesem Bluesfestivalwochenende. Doch davon in den weiteren Blogeinträgen.

Jetzt wird der Tag allmählich zum Abend, es dunkelt, ich sitze mit Francesco’s Musik im Ohr auf dem Campingplatz „Les Pins“, schreibe dieses unter freiem Himmel und habe vor ein paar Stunden ein Stück vom Ende der Welt gesehen.

Pointe de Dinan

Pointe de Dinan

Ich bin auf der Halbinsel von Crozon und war eben an der Pointe de Dinan, um mich im Anblick dieser schroffen Naturschönheit in Demut zu üben, was mir, glaube ich, ganz gut gelungen ist.