Room To Move

 
Room To Move
Room To Move

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Es war die Zeit, als in den Radios noch Musik gespielt wurde, Musik von den Rolling Stones, den Beatles, den Kinks, den Who, von Jimi Hendrix. Hach, die Liste könnte ich nostalgisch sinnierend unendlich erweitern. Von den einzelnen Musikrichtungen, seien es Beat, Rock, Soul, R’n’B hatte ich damals nicht den leisesten Schimmer. Mir gefiel, was mir gefiel und der Rest war so wie so egal. Es war die Zeit der Unschuld, des Entdeckens, der Geschmacksbildung, der Orientierung. Meine musikalische Vorprägung war nicht allzu rühmlich, bei uns zu Hause lief so gut wie nie Musik, außer vielleicht mal etwas Klassisches, niemand spielte ein Instrument, meine Mutter hatte nach meiner Geburt die aktive Mitgliedschaft im Kirchenchor aufgegeben, mir zu Liebe, wie ich später noch oft zu hören bekam. Mit 13 Jahren hörte ich zum ersten Mal „Sergeant Pepper“ von den Beatles in alten Röhrenradio. In Mono versteht sich. Die Moderatoren überschlugen sich vor Begeisterung und sprachen von einem Meilenstein in der Musikgeschichte. Dem konnte ich erst Jahre später gänzlich beipflichten, als ich diese LP endlich auch in Stereo genießen konnte. Die Stones konterten etwas müde mit „Their Satanic Majesties Request“. Und ich saß weiter vor dem Magischen Auge des Graetz- Radios, dokumentierte akribisch die „Großen Acht“ bei Radio Luxemburg, um sie dann mit den Hitparaden von Hilversum 3 oder BFBS abzugleichen. Für mich war dies die beste Methode, Englisch zu lernen. Ich sog eine riesige Dosis an Musik in mich auf, erkannte die meisten Titel schon an den ersten Takten des Intros. Irgendwann, heute weiß ich, dass es 1969 gewesen sein muss, gelangte etwas an mein Ohr, dass ich in dieser Form noch nie gehört hatte. Die Sprecher im Radio nannten den Interpreten einen „weißen Vater“ des Blues. Es war John Mayall, den ich peripher schon mitbekommen hatte, genau so wie Alexis Korner oder Muddy Waters oder John Lee Hooker. John Mayall hatte gerade das Album „The Turning Point“ herausgebracht. Ohne seine Bluesbreakers. Ohne Schlagzeug. Unplugged, würde man es heute nennen. Ein Titel aus dieser LP lief auch im Radio. „Room To Move“. Ich war fasziniert von dieser Musik. Vor allem der Part mit der „Mouth Percussion“ hatte es mir angetan. „Wenn das Blues ist, so will ich unbedingt mehr davon wissen!“, sagte ich mir. Bei meinen weitläufigen Forschungsreisen in Sachen Blues stieß ich natürlich auf alte Bekannte: Die Stones spielten ihn schon längst, ebenso die Yardbirds, Savoy Brown, Cream, Fleetwood Mac. Später würde man von der britischen Blues Invasion sprechen. Canned Heat trafen sich mit John Lee Hooker im Studio und nahmen die legendäre LP „Hooker ’n Heat“ auf. Und, und, und…Jimi Hendrix, Janis Joplin, Johnny Winter, Rory Gallagher, Ten Years After, Eric Clapton, Paul Butterfield und Unzählige mehr nahmen den Faden auf, der um die Jahrhundertwende im Mississippi- Delta seinen Ursprung hatte. Es waren die weißen Musiker, die mich zur Musik der Schwarzen geführt haben. „The Turning Point“ habe ich übrigens nie als LP besessen. Wohl aber als offizielles Tonband, mit offizieller Hülle. Mittlerweile nenne ich die CD mein eigen. Mein musikalischer Bewegungsraum ist durch dieses Werk erheblich erweitert worden. In der Zwischenzeit sind viele musikalische Stilrichtungen an meine Ohren gekommen. Meine Seele haben sie jedoch nie erreicht. Anders als der Blues. Und daran wird sich auch nichts mehr ändern.

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Call Me The Breeze

Call Me The Breeze

Call Me The Breeze (zur Musik auf das Bild klicken)

Klack. Einfach nur klack. Eine Tür fällt beinahe lautlos ins Schloss. Nicht zugeschlagen aus Wut oder Enttäuschung. Einfach so, weil der Wind es so will. Aber leise und ohne Drama. Ein kurzes Verharren im luftleeren, schalltoten Raum. Dann wieder auf dem tosenden Highway mit leicht mehr als erlaubter Geschwindigkeit. Zwei Stunden habe ich Zeit auf dieser Fahrt, Gedanken gehen ein und aus. Ein Hauch von Verwirrung , der einfach nicht verfliegen will. Nicht einmal bei offenem Fenster. Ja, ich bewege mich die Straße hinunter in Richtung Hauptstadt unseres Nachbarlandes. Niemand ist hier bei mir und Lasten schleppe ich schon gar nicht mit mir herum. Ich höre J. J. Cale’s Song jetzt zum fünften Mal hintereinander. Und singe mit. Singe? Nein, gröle. Lauthals. Er tut mir gut, dieser Song an diesem frühen Samstagnachmittag. Trotz der Musiklautstärke genieße ich die überraschende Ruhe. Um mich herum. In mir. Gleich werde ich wieder aufgesogen in dem wogenden Getümmel eines Festivals. Werde Menschen treffen, die ich kenne. Mit Menschen sprechen, lachen. Menschen vermissen. Die Musik ist gut und tut gut. Seelenfutter. Weitaus schmackhafter als die vom Elektrogrill stammende, labbrige Bratwurst, die nur durch eine gehörige Portion Senf aufgewertet werden kann. Festivalleben. Ich bin wieder zuhause. Reiße einige hundert Male die Kamera hoch, fokussiere, warte auf den richtigen Moment, drücke auf den Auslöser. Dann wieder Backstage, hier gönne ich mir und meinem digitalen Begleiter eine Pause, höre weiter der Musik zu, lasse die Gedanken schweifen, wünsche mir einen winzigen Luftzug des kleinen Wirbelwinds herbei. Doch es bleibt windstill heute. „Let’s slow it down a bit“, sagt die Stimme von der Bühne. Ja, das werde ich tun, es wieder etwas langsamer angehen. Das Leben. Und bewusster. Die Lust an diesem Leben ist pur und ungebremst. Sonnen können jeder Zeit aufgehen, auch in der dunkelsten Nacht. Das ist passives Wissen und ich ahne jetzt nicht einmal, dass etwa 24 Stunden später genau dies der Fall sein wird. Aber so ist das mit mir und den Ahnungen. Umso überraschter bin ich dann, wenn sich Dinge einstellen, mit denen ich nie gerechnet hätte. Das geht in die eine wie in die andere Richtung. Oder wenn Türen zufallen, ganz leise. Oder Türen aufgehen ganz sacht wie von einer Feenhand, die mir mit einem sanften, breiten, warmen Pinselstrich gleichermaßen die Seele öffnet.

The Devil Is An Angel, Too

Moulin Blues 2011

Moulin Blues 2011 (zur Musik aufs Foto klicken)

Festival. Zwei kurze Nächte, um die tausend Fotos und einige Mückenstiche später ist der wunderbare Spuk vorbei, ich bin zwar wieder in meiner gewohnten Umgebung, dämmere noch lustlos durch den Sonntag. Home is where the heart is. Einige schwebende Fragezeichen ziehen Kondensstreifen am makellos blauen Himmel. Jetlag. Hangover. Jetzt drückt der Alltag wie ein zu kleiner Schuh auf die aufgewühlte Seele und pfercht sie wieder ein. Der monotonen Pflicht folgend sitze ich wieder am Schreibtisch und tue, was ich tun muss. Zwänge und die Sucht nach Freiheit liefern sich arge Gefechte in meinem Gemüt. Dazu klopft die Ungewissheit an verschiedene Fenster der Zukunft. Doch es bleibt die Gewissheit des Erlebten, des nicht mehr Verrückbaren, der Nachhall der gesprochenen Worte und des Lachens, die Augenblicke des Wohlbefindens in bester Gesellschaft. Aber auch das schwingt mit: Missverständnisse und eine vermeintlich verpasste Chance. Bewusst sage ich „vermeintlich“, oberflächlich betrachtet mag die Situation so aussehen, bei genauerem Betrachten kehrt die Gelassenheit zurück und alles ist gut so, wie es nun einmal ist. Selbst der Teufel ist ein Engel. Vielleicht ist auch jeder Engel ein potentieller Teufel. Wer kann das schon wissen? Immer wieder bahne ich meinen Weg durch die ausgelassene Menge der Leute, die hier friedlich zusammen gekommen sind, um den Blues zu feiern, der Musik zu lauschen, den Künstlern Applausteppiche zu bieten. Hier und da ein freundlicher Schlag auf die Schulter zur Begrüßung, hier und da ein paar schnelle Worte. Und endlich strahlt es mir entgegen, das Lächeln, auf das ich schon so lange warte. Die Sonne ist großzügig an diesem Wochenende. Es ist der helle Wahnsinn. Das Programm ist voll gepackt und am Ende resigniere ich, kann und will nicht mehr stehen. Bei Kaffee und Bier klingt der Abend in der Lounge aus. Ein langes Gespräch gibt wieder einiges an Ruhe und Einmut zurück. Das Missverständnis wird verständlich, das Lachen wieder laut und deutlich. Die Nähe und die Vertrautheit sind wieder da. Und später beim innigen Abschied weiß ich, dass man sich trennen muss, um sich wieder zu sehen. Wann und wo auch immer dies sein mag.

As Time Goes By

As Time Goes By (zur Musik ufs Foto klicken)

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Abrechnungen. Bilanzen. Rückblicke. Das Wissen um das, was war und nicht die geringste Ahnung, von dem, was sein wird. Ahnungen. Hoffnungen. Vorsätze. Es riecht nach Jahreswechsel. Goodbye 2010, welcome 2011. Eine weitere Etappe auf dem (be)rauschenden Überschallflug durch Raum und Zeit. Es war ein spannendes Jahr, dieses 2010. Jedenfalls für mich. Ich bin gereist, war in Italien und in Frankreich, habe eine Menge beeindruckender Leute getroffen, interessante Gespräche geführt und hoffe, alle wieder zu sehen. Vielleicht schon bald. Wie immer war meine ständige Begleiterin und treibende Kraft die Musik. Sie hat mich geführt beim Tanz durch dieses Jahr und beschwingt an Orte gebracht, an denen Frieden und frohes Miteinander das Selbstverständlichste von der Welt ist. Wo es nicht zählt, wer du bist und woher du kommst, sondern dass du du bist und du da bist. Einfach nur da bist. Als ein Teil vom bunten Ganzen. Ein Dank an all die, mit denen ich lachen durfte und die mir neue Horizonte erschlossen haben. Doch es gab auch Schatten, die sich schwer und dunkel über mein Leben gelegt haben. Drei mir sehr liebe Menschen aus den unterschiedlichsten Umfeldern sind für immer gegangen. Irgendwohin, wo alles anders und man nicht mehr von dieser Welt ist. Es sind aber auch andere Menschen von mir gegangen, die sehr wohl noch von dieser Welt sind. Sie haben sich abgewandt und verabschiedet von gemeinsamen Wegen und Ideen, von dem, was wir gemeinsam aufgebaut haben. Sie haben mir den Rücken gekehrt zu einer Zeit, da ich sie mehr als zuvor gebraucht hätte. Das schmerzt und die Enttäuschung sitzt tief. Immer noch. Aber es gibt keinen Anlass zur Nachtrauer. Denn so ist das Leben und so ist der Blues. Alles ist eben jetzt anders und es gibt keinen Grund zu jammern. Denn seit einem halben Jahr leuchtet ein helles Licht aus einer ganz anderen Himmelsrichtung. Und das wärmt und gibt Kraft und Mut. Auch für 2011. Shine on…as time goes by…

Morblus am 16.10.2010 im Café de Weegburg, Roermond (NL)

Roberto Morbioli

Roberto Morbioli

Als wir gegen 20:30Uhr das Café de Weegbrug betreten, ist die Band gerade beim Soundcheck. Die Vorbereitungen für das zweite Konzert der Truppe um Roberto Morbioli an diesem Samstag sind schnell abgeschlossen. Sie kommen direkt aus Amsterdam, wo sie vor etwa 100 Zuschauern ein Radiokonzert gegeben haben.

So ist das im Showbusiness, da muss man mitnehmen, was sich bietet. Auch wenn es dann zwei Mal am Tag heißt: Anreisen, auspacken, aufbauen, Soundcheck, Showtime, abbauen, einpacken. Die Oktobertour von Morblus dauert ca. drei Wochen und führt durch Deutschland, Frankreich, Belgien und die Niederlande.

Es ist ein Wiedersehen mit vier sympathischen Menschen, die zudem alle ihr musikalisches Handwerk aufs Beste verstehen: Roberto Morbioli, Gitarre, Vocals, Daniele Scala, Hammond & Keyboards, Stefano Dallaporta: Bass und Diego Pozzan: Drums.

Der Beginn des Konzerts ist für 22 Uhr angesetzt, nur tröpfchenweise stellen sich die Zuschauer ein. Es bleibt Zeit für den einen oder anderen Plausch mit den Musikern, die ich im August dieses Jahres beim Festival «Blues au Château» im bretonischen La Chèze bereits kennen und schätzen lernen durfte.

Gegen 22:30Uhr ist dann endlich Showtime. Die Band ist sofort und auf den Punkt genau da. Und von den ersten Takten an weiß man, dass da nichts anbrennen wird, ja, nichts anbrennen kann.

Das Repertoire der Italiener ist so breit gefächert, dass es jede Sekunde in sich hat. Und diese Sekunden werden ca. drei Stunden füllen müssen. . Heute Abend hören wir Songs wie:«Everyday I Have The Blues», «My Shoes», «I Play The Blues For You» oder «Hallelujh, I Love Her So».

Daniele Scala & Diego PozzanStefano Dallaporta & Roberto MorbioliRoberto Morbioli

Natürlich brillieren wieder einmal die Soloinstrumente, Gitarre und die Hammond, denn beide sind besetzt mit hervorragenden Musikern. Aber auch das beinahe unauffällige Grundlagenspiel von Schlagzeug und Bass – abgeliefert von zwei ebenfalls absoluten Könnern ihres jeweiligen Fachs – ist stets auf der Höhe des Geschehens, stützt das gesamte Bandgefüge und treibt es immer wieder zu neuen Höhenflügen an.

Darüber hinaus erhalten Stefano und Diego immer wieder Freiräume für solistische Einlagen.

Und über allem thront Robertos sichere, kräftige und vielseitige Stimme

Morblus ist eine Band, die schweißtreibend arbeitet und trotzdem niemals ihre Spiellaune oder ihren Spielwitz verliert. Das inzwischen auf ein manierliches Maß angewachsene Publikum weiß das zu schätzen.

Morblus ist ein geschlossenes Ganzes, eine Maschine, die permanent unter Dampf steht. Die einzelnen Titel gehen fast ohne Unterbrechung in einander über und überspringen häufig die zehn Minuten Grenze. Wir erleben feinsten Blues à la Albert King, bisweilen swingt ein wenig Jazziges durch. Alles wird immer wieder gewürzt mit feinsten Hammond- Klängen und treffsicheren Gitarrenlicks.

Morblus ist eine Band, die man gesehen und gehört haben muss, denn in Sachen Blues gehört sie meiner bescheidenen Meinung nach zweifellos zum Besten, was unser alter Kontinent augenblicklich zu bieten hat.

Und dennoch sieht sich diese Band leider noch in einem Stadium, in dem sie kämpfen muss, um überhaupt Auftrittsgelegenheiten zu erhalten. So wird sie weiter touren und touren und ich bin sicher, dass es immer mehr Menschen geben wird, die sich meinem Fazit „unbedingt nicht verpassen“ bedingungslos anschließen werden. Veranstalter, die heute noch zögern, werden spätestens dann auf den Morblus– Zug aufspringen (müssen).

Wer es dieses Mal nicht geschafft hat, eins der Konzerte zu besuchen, dem kann ich ebenfalls uneingeschränkt die gerade frisch erschienene CD «On The Way Back…» ans Herz legen. Sie macht die Pause bis zur nächsten Tour Anfang März 2011 um einiges erträglicher.

Text und Fotos (c) 2010 Tony Mentzel

Thorbjørn Risager am 04.10.2010 im Spirit of 66, Verviers (B)

Power Trios mag ich sehr. Schon wegen der Transparenz im Sound. Doch schon beim Blick auf die noch musikerlose Bühne des Spirit of 66 fällt durch intensives Zählen und Umrechnen auf, dass wir es am heutigen Montagabend mit 2 1/3 Power Trio zu tun haben werden.

Ein veritables Septett also. So bin ich gespannt auf den Sound, denn sieben Instrumentalisten plus Gesang, die muss man klangtechnisch erst einmal bändigen.

Aber am Mischpult steht wie immer Francis Geron, der Inhaber des Spirit of 66, ein Garant für den besten Klang im Saal. Ums gleich vorweg zu nehmen: Auch eine sieben Mann starke Combo bereitet ihm keinerlei Probleme. Nichts klingt vermatscht. Alle Instrumente sind klar erkennbar.

Die Besetzung der heutigen Band: Thorbjørn Risager – voc, gtr, Emil Balsgaard – keyb, Svein Erik Martinsen – gtr, Kasper Wagner – Sax, Peter Kehl – Trompete, Søren Bøjgaard – Bass und Martin Seidelin – drums.

Gleich der erste Titel «Movin‘ On» ist richtungweisend. Das geht ab, wie die berühmte Katze von Herrn oder Frau Schmitz. Ich stehe vor einer in sich gefestigten Schallmauer, aus der bei gut dosierter Lautstärke feinster Blues an und in meine Ohren klingt.

Für mich ist es die erste persönliche Begegnung mit Thorbjørn Risager und seinen Mannen. Auch hier frage ich mich immer wieder, warum es so lange gedauert hat, diese Band einmal live zu erleben. Doch lieber spät als gar nicht. Heute haben wir zusammengefunden. Und ich spüre schon nach den ersten Akkorden des Openers, dass es wieder einmal gut war, den inneren Schweinehund mit dem Namen „Eigentlich bräuchte ich jetzt Ruhe!“, zu überwinden, mich ins Auto zu setzen und die 40km nach Verviers zu fahren.

Schlagzeuger sitzen meist im Hintergrund einer Bühne und fallen nicht besonders auf, aber eine filigrane Dampfmaschine wie Martin Seidelin ist die treibende Kraft in dieser Formation. Aber neben der Kraft, die Martin auszeichnet, hat er auch ein Feingefühl fürs Timing. Seine Fill- Ins sind bisweilen etwas überraschend, aber immer auf den Punkt.

Weniger auffällig, aber nicht minder präzise und variantenreich zupft Søren Bøjgaard seinen Harmony Bass. Mit den Beiden ist das Fundament geschaffen, auf dem die anderen fünf Musiker ihr Tun aufbauen können.

Ein Bläsersatz gibt einem Bandgefüge immer eine besondere Würze. So auch hier: Ob im rhythmischen Stakkatoeinsatz, in flächiger Untermalung oder im Solospiel, Kasper Wagner und Peter Kehl geben mit Saxofon und Trompete dem Gesamtsoundbild eigene „Kupfer-“ Färbung.

Der Keyboarder Emil Balsgaard, „From the dark side of Copenhagen…“, wie Thorbjørn Risager ihn ankündigt, spielt viel Begleitung und hat ab und zu eine Soloeinlage, die von allerbesten Spiel zeugt.

Lange habe ich keine Band mehr gesehen, die mit gleich zwei Gitarristen aufwartet. Dass dann auch noch beide „Saitenquäler“ sich in nichts nachstehen, ist mehr als lobenswert. Klar, Thorbjørn Risager ist der Chef und hat mit seiner Stimme und mit seinem Gibson ES335 Nachbau jederzeit das Heft in der Hand.

Doch es ist schön zu sehen, wie gitarristische Freiräume entstehen, die neben Thorbjørn auch von dem aus Norwegen stammenden Svein Erik Martinsen, mit seinem sehr gut klingenden Telecasternachbau für das Standardspiel und einer Gibson SG für das Slide- Spiel, genutzt werden.

Die beiden Sechssaitenspieler kommen sich weder soundmäßig noch spielerisch in die Quere – im Gegenteil, sie harmonieren perfekt. und es macht Laune, den Beiden bei ihrem Tun zuzuschauen.

Unerwähnt lassen sollte ich auch nicht das Stimmpotenzial von Thorbjørn Risager, seine kräftige, dunkle, durchsetzungsfähige Stimme passt hervorragend zu seinen Songs. Hier stehen unter anderem auf der Liste: «Burning Up», «Go Down», «Stand Beside Me» oder «Same Old Blues»

Gleich welchen Titel die Band präsentiert: Es groovt bis in die kleinen Zehen.

Das Saal ist gut, aber nicht gerade übermäßig gefüllt, doch alle hier sind gepackt von der Musik und von einer Band, die ihr Handwerk versteht.

Fazit: Wieder einmal ein Act, den man unbedingt nicht verpassen sollte. Gelegenheit dazu wird es reichlich geben, den Thorbjørn Risager und seine Truppe haben sich vorgenommen, demnächst auch vermehrt in der Bundesdeutschenrepublik zu spielen. Nix wie hin in die Konzerte!

Danny Bryant’s Redeye Band am 15.09.2010 im Spirit Of 66, Verviers (B)

Danny  Bryant

Danny Bryant

 Da ist er wieder. Vom ersten Akkord ohne Schnörkel, ohne Kompromisse, direkt auf die berühmte Zwölf.

Ich versuche erst gar nicht zu zählen, wie viele Male ich Danny Bryant und sein Familienunternehmen schon live erleben durfte.

In keinem dieser Konzerte gab es auch nur den geringsten Anlass, über irgendetwas zu meckern. Und so ist es dann auch heute.

Danny ist Danny und Danny bleibt Danny und damit sich treu. Alle Songs, auch die schon etwas Betagteren, klingen frisch und kommen voller Emotion von der Bühne. Für mich der absolute Hammer an diesem Abend ist Danny’s Version von Peter Green’s «Love That Burns». Das schmeichelt sich direkt unter die Gänsehaut und explodiert mitten im mitfühlenden Herz. Volltreffer.

Danny lässt seine «Fret-King Guitar» brüllen, kreischen, heulen und im nächsten Moment wieder fast verstummen, der Song bekommt so seine ganz eigene aufwühlende Farbe und eine immer wieder überraschende Dynamik. Selbst Danny’s Mutter Heather, die das Management innehat, ist vollkommen überrascht: „Ich wusste gar nicht, dass er den Titel spielt.“ Doch Danny tut das mit einer natürlichen, unangestrengten Selbstverständlichkeit und Inbrunst, authentischer kann man einen Song wie diesen nicht interpretieren. Hut ab.

Ähnlich stark kommt der Titelsong der aktuellen CD «Just As I Am» an meine Ohren. Sehr schöne Soloeinlagen teils à la Robin Trower, einem von Mr. Bryant‘s dedizierten ganz großen Vorbildern. Wiederum ganz großes Blueskino.

Weiter hören wir u.a. «Good Time Woman», «Girl From The North Country», «Always With Me» und «Master Of Desaster».

Es ist der Beginn einer kleinen Tour über das europäische Festland. Dass Danny gleich am ersten Konzertabend alle Torpedos zu einem breit gefächerten Klangfeuerwerk aller erster Güte zündet und keinerlei Zweifel über seine Musikalität und sein Können aufkommen lässt, ist bemerkenswert.

Danny BryantDanny Bryant - Trevor BarrTrevor Barr - Ken Bryant

Eine nicht gerade unwichtige Arbeit leisten natürlich seine beiden Mitstreiter: Papa Ken am Bass und Trevor Barr an den Drums. Nach all den Jahren ist das Bandgefüge eine in sich gefestigte und geschlossene Einheit, wie man sie heutzutage leider nicht mehr allzu oft findet.

Auf diese Musiker lässt sich bauen. Und genau das tut Danny dann auch wieder. Gute zwei Stunden versorgt er die etwa (leider nur) 60 Anwesenden mit seiner Musik. Meistens wird ja seine Gitarrenarbeit immer im Vordergrund gesehen. Darum möchte ich auch seine Stimmgewalt nicht unerwähnt lassen. Tonsicher und variabel ist sie und kräftig, so kräftig, dass einmal bequem vom Bühnenrand auch ohne Mikrofon ins Publikum singt. Die Stimme ist auch so vier bis fünf Meter von der Bühne entfernt bestens zu verstehen.

Und am Schluss hat er uns alle in der Tasche, wir, das Publikum fordern mehr und bekommen mehr. Es ist Zugabenzeit. Hier spielt Danny zwei Coverversionen: Bob Dylan’s: «Knocking On Heaven’s Door» und Jimi Hendrix’ «Voodoo Chile», in das er überraschenderweise ein Zitat aus «Somewhere Over The Rainbow» einbaut. Nochmals Gänsehaut pur.

Fazit: Für 12 Euro Eintritt gibt es die volle Breitseite an modernem, britischen Blues. Danny Bryant ist mit seiner Band ziemlich lange auf Tour. Check it out. Es ist sicher kein Fehler, eines dieser Konzerte zu besuchen.
Darum meine uneingeschränkte Empfehlung: Unbedingt nicht verpassen.

Blues & Jazz Rallye am 17.07.2010 in Luxemburg

Meena

Meena

Die Welt ist ein Dorf. Sprachengewirr in allen Gassen. So wird die Hauptstadt eines der kleinsten Länder dieser Erde zu einem Mittelpunkt und gleichermaßen zum Symbol. Luxemburg Stadt hat mal wieder zur Blues & Jazz Rallye gerufen und ich bin wieder mittendrin. Teilweise ist kein Durchkommen mehr. Einer aus Großbritannien, einer aus Frankreich, zwei aus Österreich und einer aus Deutschland versuchen von einer Bühne zur anderen zu gelangen. Dies Unterfangen stellt sich als Geduldsprobe und schweißtreibende Schieberei heraus. „Ca, je n’ai jamais vu!”, sagt der Franzose und der Deutsche antwortet: „Moi non plus.“ Und die Österreicherin fügt hinzu: „It’s very intimate here.“ So ist es, gesehen haben wir alle einen derart dichten Menschenauflauf noch nicht und es ist sehr intim. Alle sind auf Tuchfühlung. Im Prinzip ein El Dorado für Taschendiebe. Am guten Ende wird es mir aber dann an nichts Materiellen fehlen.

Diese Stadt, dieses Zusammentreffen von Hunderttausenden von Menschen verschiedenster Herkunft und Sprachen ist Sinnbild für ein friedliches Miteinander. Kulturen und deren Vertreter treffen aufeinander. Und jeder kann davon profitieren und seinen kleinen eigenen Horizont erweitern. Immer wieder und immer wieder aufs Neue. Das Angebot heute ist wieder äußerst vielfältig. So ist die Garantie gegeben, dass man natürlich wieder nicht alles erleben kann. Entscheidungen müssen her.

Meine fällt auf den Auftritt von Deborah Coleman und später Meena jeweils mit Roger Inniss und Denis Palatin. Ein Treffen mit lieben Menschen. Immer wieder kreuzen sich die Wege und die Freude des Wiedersehens ist mehr als herzlich. Deborah spielt sich nach und nach in Bestform. Sie ist in der Lage, Titel für Titel noch Qualität und Emotion nach zu legen. Ihre Stimme und vor allem ihr Gitarrenspiel, lässige Soli, die es vertrackt in sich haben. Es sieht aus, als schüttele sie all das wie nichts locker aus dem Ärmel. Der Spielspaß ist allen Akteuren anzusehen. Auch auf fremden Instrumenten, die man sich für heute Abend zusammen geliehen hat, weil die Eigenen irgendwo zwischen Balkan und Frankfurt hängen geblieben sind. Shit happens.

 

Und dann Meena. Das Energiebündel mit der Wahnsinnsstimme. Und gesegnet mit einem grandiosen Gitarristen, namens Chris Fillmore. Mit ihm arbeitet sie seit 17 Jahren zusammen. Vor dem Gig gibt es noch einige Absprachen mit Denis und Roger. Und los geht’s.

Schon vom ersten Song an lässt Meena keine Zweifel darüber aufkommen, dass sie eine der besten Bluesstimmen des alten Kontinents hat. Anfangs ist vor der Bühne noch Platz, aber viele Menschen, die eigentlich weiter gehen wollen, bleiben fasziniert stehen. „Incroyable“, sagt eine junge Frau hinter mir und starrt wie gebannt auf die junge Lady aus Österreich.

Von oben nach unten: Roger Inniss, Meena, Chris Fillmore

Als Meena «Let Your Sweet Love Shine On Me» gospelmäßig anstimmt, sehe ich neben mir eine verzückt dreinblickende Deborah Coleman.

Auch dieses ist ein wunderbares Konzert, dass gegen 01:30 nach einigen Zugaben sein Ende findet.

Ich sage noch schnell „Servus bye, bye, au revoir“ und mache mich bestens gelaunt auf die etwa zweistündige Heimfahrt durch Luxemburg, Belgien und durch die laue Julinachtauf die etwa zweistündige Heimfahrt durch Luxemburg, Belgien und durch die laue Julinacht.

Umbrisches Tagebuch – Teil 8 – 06.02.2010 – Von Gubbio nach Pineto

Mark DuFresne & Sugar Ray Norcia

Mark DuFresne & Sugar Ray Norcia

Es muss so gegen drei Uhr sein, als die Karawane dann endlich aus Gubbio aufbricht.

Kurze Regenschauer begleiten uns. Wir fahren dieselbe Strecke durch die Apennin- Ausläufer zurück, die mich in diesen schönen Ort geführt hat. Jetzt wird mir Maurizios Anspielung auf die Geschwindigkeit klar: Er heizt ganz schön durch die bergige Landschaft, aber mein kleiner Miet- Panda hält tapfer mit. Kurz vor Ancona geht es dann südwärts auf die Autobahn A14, die sich an der Adria entlang schlängelt.

Unterwegs nach Pineto

Unterwegs nach Pineto

Unterwegs ist ein Treffpunkt an einer Raststätte ausgemacht. Kaffee, Süßgebäck. Gio kauft noch eine 3-fach CD von Duke Ellington für 7,95 € für einen seiner Schüler, der wissen wollte, was Swing ist. „Hier hat er alles, was er für den Anfang wissen muss.“, pflichtet Ray ihm bei, als er auf die Titelliste geschaut hat.

 Als wir in Pineto ankommen, ist es bereits dunkel. Eine kleine Irrfahrt durch den Ort, dann haben wir es gefunden, das Teatro Polifunzionale.

Plakat Pineto

Plakat Pineto

Erwartet werden wir schon von Vincenzo, dem Initiator der Konzertreihe «Green Hills In Blues – Winter Editiom 2010».

 Irgendwer muss ihn über meine Anwesenheit informiert haben, er kommt freudestrahlend auf mich zu und sagt in Deutsch zu mir: „Guten Abend Tony, ich freue mich, dich kennen zu lernen.“ Ich bin ein wenig verdutzt, aber Vincenzo erklärt mir, dass er in den 60-ger Jahren in Süddeutschland gelebt hat und dort als Musiker getingelt ist.

Wir räumen Instrumente, Zubehör und Verstärker in den Saalbau. Dazu müssen wir in den ersten Stock. Es gibt einen Aufzug. In diesem ergibt sich folgende Situation: Mark, Alberto und ich, alle drei nicht gerade Leichtgewichte, dazu noch die Orgel, ein Flightcase und Ray. Ray drückt den Knopf zur ersten Etage.

 Der Lift ruckelt ein wenig beim Anfahren und macht seltsame Geräusche. Ray schaut uns an und zieht die Augenbrauen hoch: „Wieviele Kilo schafft der?“ Alle müssen laut lachen. Nur der Aufzug nicht. Der ächzt und zieht uns brav in die Höhe.

 Aufbau, kurzer Soundcheck, Ray spielt «Feeling Blue» an, Alberto hat sich entschlossen nur die Bassbegleitung zu spielen. Und so aufs Wesentliche minimiert, passt es, es klingt einfach toll.

 Es ist noch Zeit, so fahren wir zum Einchecken ins Hotel. Dort wartet auch schon das Abendessen. Verschiedene Speisen stehen zur Auswahl: Spinat, Prinzessbohnen im Speckmantel, Salate, Fleischklöpse in Tomatensoße, Spaghetti a la Carbonara, Weißbrot, dazu Wein in Karaffen und Wasser.

 Und wieder plärrt von irgendwoher im Hintergrund der Fernseher. Aber dem messen wir keine Bedeutung bei. Unsere Unterhaltungen liegen im Lautstärkepegel leicht darüber und werden wie immer hier und da durch Lachsalven durchbrochen.

 Mark fährt mit mir und in meinem Panda durch die abendlichen Straßen zurück zum Theater. Der Saal ist bedauerlicherweise nicht einmal zur Hälfte gefüllt.

Lorenzo Piccioni

Lorenzo Piccioni

 Als Opener fungiert Lorenzo Piccioni, ein junger Gitarrist, der auf seiner Akustikgitarre Blues und Artverwandtes präsentiert.

Vincenzo

Es ist schön und tut gut, immer wieder auf Menschen zu treffen, die sich jeder auf seine Weise dem Blues verschrieben haben. Vincenzo kündigt das Maurizio Pugno Trio mit einem Enthusiasmus an, dem sich wohl keiner der Zuhörer entziehen kann. Mir geht dies genauso, obwohl ich nicht jedes Wort im Detail verstehe, bekomme ich doch mit, was mit welchem Elan er sich hier vor Ort einsetzt, um Spektakel wie dieses in diese Gegend zu bringen. Der Blues sei ihm wichtig und Veranstaltungen wie diese ebenfalls und sein Stolz sei groß, einige der besten italienischen Protagonisten dieser Musikrichtung hier präsentieren zu können. Dass zusätzlich noch zwei Blueskoryphäen der US- amerikanischen Szene mit auftreten, erfülle ihn mit einer riesigen Portion Freude. Toll sei auch, dass eigens aus Deutschland jemand angereist sei, um das Ganze zu dokumentieren, jemand von einem Bluesradio, dem es genauso wie Vincenzo selbst darum ginge, dem Blues eine Plattform zu bieten. Ich höre dies und bin wohl zu sehr mit dem Verstehen seiner Worte beschäftigt als mit ihrem Inhalt. So stehe ich plötzlich im Schweinwerferkegel und gleichzeitig auch etwas neben mir, höre Applaus, bin ebenso überrascht wie gerührt und verneige mich winkend vor dem werten Publikum.

 Genug der Worte. Nun wird es allmählich Zeit für die Musik: Maurizio, Gio und Alberto eröffnen instrumental, Mark kommt dazu winkt wieder mit seinem Aluflachmann, täuscht einen tiefen Schluck daraus vor greift sich das Mikro und los geht’s.

Alberto Marsico

Alberto Marsico

 Im Prinzip ist es die gleiche Show wie am Vorabend, im Sound ein wenig abgespeckt zwar, da der Bläsersatz und Bass fehlen. Letzteren kompensiert Alfredo quasi „mit Links“. Die Setlist wurde in wenigen Punkten geändert. „Feeling Blue“ beispielsweise kommt mit minimaler Instrumentierung so richtig groovy vin der Bühne.

 Kurzum dem Publikum gefällt’s. Dementsprechend laut ist auch der Beifall.

Gio Rossi

Gio Rossi

 Gio Rossi bietet während seines Schlagzeugsolos wieder einmal eine gelungene clowneske Einlage, die dieses Mal ganz anders ist als am Vorabend.

 „Niemals denselben Gag zweimal, das Publikum merkt das zwar nicht, ich mache das aber auch für die Band.”, erzählt er mir später. Ja, die Band hatte ihren Spaß und das Publikum ebenfalls.

 Einige CDs können nach dem Konzert verkauft werden, ich verteile noch einige JJBR- Karten an Leute, die mich interessiert darauf ansprechen.

 Dann kommt schon der erste große Abschied. Vincenzo hat einen Fahrer organisiert, der Mark nach Rom zum Airport bringen wird. So bleibt Maurizio noch etwas Ruhe und Zeit, um  Ray dann um sechs Uhr in der Früh ebenfalls nach Rom zu bringen.

 Auf dem Parkplatz verabschieden wir Mark. Wir fahren zurück ins Hotel. Ein Grappa als Absacker noch, dann der nächste Abschied: Maurizio und Ray sagen „Ciao und Goodbye“. Gio, Alberto und ich verabreden uns für 10 Uhr zum Frühstück.

 Dann verschwinden alle ermattet auf ihren Zimmern.

 Beim Frühstück erzählt Alberto, dass die meisten Hotels hier in der Gegend nur deswegen geöffnet sind, weil noch viele der Erdbebenopfer aus den Abruzzen seit April 2009 hier immer noch in Hotels untergebracht sind.

 Dann wird es auch Zeit für die Beiden aufzubrechen. Ein weiterer herzlicher Abschied folgt.

 Mir bleibt auch nur, das Gepäck aus dem Zimmer zu holen und zu zahlen.

 Von nun an bin ich wieder alleine unterwegs. Es ist Sonntagmorgen in Pineto. Die Stadt ist wie ausgestorben. Es nieselt leicht. Am Mittwoch geht mein Flieger. Also noch genügend Zeit, etwas von dem Land, in dem (irgendwann später) die Zitronen blühen, kennen zu lernen.

Strand bei Pineto

Strand bei Pineto

 Ausgefeilte Pläne habe ich nicht. Ich werde einfach die Adria- Küste gen Norden hinauf tingeln. Bis ich dann wieder in Ancona bin. Am Mittwoch. Spätestens.

Umbrisches Tagebuch – Teil 6 – 05.02.2010 – Der Konzerttag

 

Gubbio, 05.02.2010 gegen 11Uhr.  

Als ich am Freitagmorgen dann gegen elf Uhr ins Theater komme, ist man gerade damit beschäftigt, Zusatzmaterial für die DVD zu filmen. Die Dramaturgie will, dass Maurizio mit seinem Gretsch- Gitarrenkoffer das Theater betritt und zur Bühne schreitet, das Ganze wird mehrfach wiederholt, bis es dann endgültig im Kasten ist. Interviews mit den Musikern werden vor laufender Kamera geführt. „I hope you didn’t trash us too much.“, meint Mark DuFresne lachend zu Gio Rossi, als der gerade aus dem Interview entlassen wird. Dabei winkt Mark scherzhaft drohend mit seiner Krücke, die er bei Bedarf auf der Bühne auch schon mal als Luftgitarre oder als Maschinengewehrimitat nutzt. 

 Trotz all des Stresses mag niemand der Beteiligten die gute Laune zu verlieren. Alles scheint luftig leicht. Ein aufmunterndes Wort, eine Anspielung, ein Lächeln, ja auch ein Lachen, derartiges ist immer möglich, auch wenn man manchmal an seine Grenzen stößt.

Maurizio Pugno

Maurizio Pugno

  „Ich bin froh, wenn das hier vorbei ist, dann werde ich nur noch schlafen, schlafen, schlafen.“, seufzt ein ermatteter Maurizio, als er mir das Ticket für den heutigen Abend überreicht. Ich habe Sitz 13, den Eckplatz rechts in der ersten Reihe des Parketts. Von hier aus kann ich sehr gut fotografieren. 

 So gegen 16:30Uhr verabschiede ich mich, verlasse ich das Theater und fahre zurück in mein Hotel. Ganz in der Vorfreude auf ein tolles Event. 

 Zum Konzert selbst kann ich im Prinzip das wiederholen, was ich schon zum Konzert in Uden geschrieben habe. Es ist einfach grandios. Alle sind in bester Spiellaune und die all die Mühen haben sich gelohnt. Durch den Bläsersatz kommt in das eine oder andere Stück auch eine Portion mehr an Pfeffer hinein. 

Mark DuFresne & Marizio Pugno

Mark DuFresne & Marizio Pugno

 Erstklassige Musiker liefern eine erstklassige Performance ab. Was will man mehr? 

 Und dennoch: Als aufmerksamer Beobachter und durch all die Stunden der Proben eingeweihter Mitwissender fallen einem natürlich auch die kleinsten Patzer auf, aber das ist eben menschlich und „Life is live“, da helfen auch die intensivsten Proben nicht. 

 Egal, was da passiert, leicht verschleppte Einsätze, das unfreiwillige unplugged Spiel Maurizio’s, als Sugar Ray ihm aufs Kabel tritt und es damit ausstöpselt, die auf der Bühne Agierenden sind mit einer Riesenportion Humor und Spaß dabei und genau das ist es, was sich auf das Publikum überträgt. 

Sugar Ray Norcia

Sugar Ray Norcia

 Das Beste bringt Sugar Ray, als er sich vom Mikrofon entfernt, sich an den Bühnenrand stellt und von dort aus weiter singt. Dem Tontechniker werden im dem Moment sicher einige graue Haare gewachsen sein, obwohl die Band auf Sugar Ray’s Alleingang sofort reagiert: Alle drehen ohne Zögern einen Tacken leiser. Ein wirklich erhebender und magischer Moment, im Publikum ist es mucksmäuschen still. 

 Später erzählt mir Ray, er habe so handeln müssen. Man sei schließlich in einem Haus, in dem auch Opern gespielt würden. „Ich wollte es einfach wissen, wie das so ist und wie das so klingt so ganz ohne Mikro. Für mich war das ein wunderbarer Moment. Ich hatte den Soundmenschen aber vorher gefragt.“ – „ Und was hat der gesagt?“ – „Mach das bloß nicht!“ Das verschmitzte Grinsen von Ray habe ich jetzt noch vor Augen. 

Publikum

Publikum

 Eine insgesamt tolle Bandleistung mit hervorragenden Solisten. Und das Ganze vor übervollem Haus. Rund 200 Leute musste die Feuerwehr abweisen. Das Theater war eh schon mehr las überfüllt. 

 Und nach der Vorstellung? Klar, dass das noch nicht alles war. Ein Restaurant ist reserviert und alle, von der Gardarobenfrau bis zu den Kameraleuten, Musiker und Freunde feiern bei Bier, Wein und Köstlichkeiten der italienischen Küche einen mehr als gelungenen Abend.

 Für den folgenden Mittag verabreden wir uns im Theater, um die Instrumente und die Anlage einzupacken, denn am Samstagabend spielt das Maurizio Pugno Organ Trio feat. Mark DuFresne & Sugar Ray Norcia in Pineto an der Adria- Küste, etwa 200 Kiulometer von Gubbio. 

 Aber das ist eine andere Geschichte.