„Wir hängen im Zeitplan hinterher.“ Maurizio wirkt etwas unruhig. Doch die Wiedersehensfreude ist ungetrübt. Seine Einladung, hierher zu kommen und die Produktion der Live- DVD mitzuerleben, habe ich sehr gerne angenommen.
Da stehe ich nun wirklich auf den Brettern, die diese eine gewisse Welt bedeuten. Ich kannte sie bisher nur von den Fotos im Booklet zu Maurizio Pugno’s aktuellen Silberling „Kill The Coffee“, der genau hier eingespielt wurde. Hier, das ist das historische „Teatro Communale“, das Stadttheater von Gubbio, Maurizio Pugno’s Heimatstadt. Rot gepolsterte Sessel im Parkett, die gut 100 Leuten Platz bieten. Darüber im Halbrund vierstöckig angeordnete Logen.
Auf, über, vor, an den Seiten und auch im Orchestergraben unterhalb der Bühne ist rege Betriebsamkeit. Scheinwerfer werden auf die Traversen geschraubt und justiert, Verstärker und Lautsprecherboxen werden platziert, Mikrofone werden ausgerichtet. Gio Rossi stimmt sein Drumset. Alberto Marsico rückt den großen, schwarzen Flügel in die richtige Position. Dann sausen seine zehn Finger mal eben so zu jazzig angehauchten Läufen über die weiß– schwarzen Tasten. Die Akustik an diesem Ort der Kunst ist einfach phantastisch. Man könnte durchaus ohne weitere tonale Verstärkung auskommen.
Im rechten Winkel zum Pianoforte steht Alberto’s Orgel, Marke KeyB. „Jahrelang habe ich eine Hammond C3 mit mir herumgeschleppt, die ist toll, aber einfach zu schwer. Ich bin sehr zufrieden mit diesem Instrument jetzt, das wiegt nicht einmal ein Drittel von der C3 und klingen tut es auch noch.“ In der Tat, das tut es. Zwei Manuale, dazu Registerzüge, eine Effektsektion. Leslie Simulation. „Hiermit kann man alles spielen: Jazzig wie Jimmy Smith oder rockig wie Deep Purple.“ Entsprechende Soundbeispiele folgen diesem Statement. Der Sound ist eine Wucht und Alberto’s Spiel so wie so.
Er gehört zweifellos zu Europas fähigsten Keyboardern. Wenn er nicht bei anderen Projekten wie der Maurzio Pugno Band spielt, betreibt er sein eigenes Projekt «Organlogistics», bei dem Gio Rossi auch die Trommeln rührt.
Die Beiden haben übrigens gemeinsam schon bei internationalen CD- Projekten mitgewirkt: Da fallen Namen wie Alex Schultz, Tino Gonzales, Lars Kutsckhe und eben Maurzio Pugno, Mark DuFresne und Sugar Ray Norcia.
Die zwei Letztgenannten werden für den heutigen Nachmittag erwartet.
Nachdem Lucio Villani seinen Kontrabass gestimmt hat, bittet ihn Stefano, der für den Bühnensound verantwortlich ist, um ein paar Tonproben für die Grundeinstellungen am Pult. Lucio kommt dem nach, ruhige Bassläufe im Wechsel mit rhythmisch „angeschlagenen“, Saiten.
Die Hornsection trifft ein. Das sind: Maurizios Bruder Mirko, Trompete, Giordano Palazzari, Posaune, Giordano Biccheri, Tenorsaxofon und Tiziano Fioriti, Baritonsaxofon.
Stellprobe, Soundproben. Stakati. Akkordspiel. Solospiel. Was für ein Klang!
Ich verabschiede mich für ein, zwei Stündchen in die Mittagspause, ich suche das von Maurizio empfohlene Ristorante auf und widme mich den wunderbaren kulinarischen Genüssen Italiens.
Nach einem mit etwas Sightseeing verbundenen Verdauungsspaziergang, kehre ich zum Theater zurück.
In der ersten Reihe haben Mark DuFresne und Sugar Ray Norcia Platz genommen und beobachten das Geschehen auf der Bühne. Die Wiedersehensfreude ist ebenso herzlich, es sind noch keine zwei Wochen seit unserem letzten Treffen im niederländischen Uden vergangen.
In aller Seelenruhe warten die beiden Ex- Mitglieder der legendären Band „Roomful Of Blues“ auf ihren Einsatz bei den anstehenden Proben. Diese Zeit vertreiben sie sich mit scherzendem Small Talk. Es macht wirklich Spaß mit solch alten Haudegen des Business Gedanken auszutauschen oder einfach nur herumzualbern. Beide Herren sind jederzeit für einen Joke zu haben.
Ihre Professionalität unterstreichen sie auch, als sie dann endlich auf der Bühne stehen. Geduldig und immer mit einer gehörigen Portion von Humor werden Songanfänge, Gesangs- und Mundharmonikapassagen geprobt. Das Ganze ein-, zwei-, dreimal oder bei Bedarf auch öfter.
Quasi nebenbei schrauben die Tontechniker am Sound, hier ein paar Höhen raus, dort ein paar Tiefen dazu und ein paar Mitten weniger, ein wenig Hall auf die Stimme.
Man arbeitet sich von Song zu Song und irgendwann ist es Abend und alle haben Hunger. Auch dafür gibt es eine Lösung: Der ganze Produktionstross setzt sich zu Fuß in Bewegung durch die abendlichen, mittelalterlichen Gassen in Richtung des schon oben erwähnten Restaurants. Unterwegs schwärmt Sugar Ray von den Vorzügen der Stadt Gubbio im Sommer und denen der italienischen Küche im Allgemeinen. Das sei eben das Schönste, wenn man in Italien produziert. „Aber dass wir mit den Proben in Zeitverzug sind, ist gar nicht so schön.“, meint Gio Rossi. „Wisst ihr, in Italien haben wir immer einen Plan A und einen Plan B. Wenn es dann so weit ist mit Plan A anzufangen, ist es für Plan A eh schon zu spät und wir beginnen direkt mit Plan B.“ Wir müssen laut lachen.
Das Essen dauert etwa 90 Minuten. Dann begibt sich die gesamte Produktion wieder ins Theater. Erst gegen ein Uhr, es mag auch schon einiges später sein, vertagen wir uns auf den nächsten Vormittag. Bis zum Nachmittag muss dann alles stehen. Dann folgt der Abend der Wahrheit, der Abend des Konzerts und der Produktion, bei dem es dann kein Zurück mehr gibt.
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