Education Sentimentale

Rur (2)

Neulich fuhr ich mal wieder in Gedanken durch mein Leben und gleichzeitig durch die Provence mit meinem grünen R4. Und ein Lächeln tauchte auf vom Beifahrersitz, Marie- Cathérine. Ihr dunkelbraunes, schulterlanges Haar wehte leicht im Fahrtwind bei geöffneten Schiebefenstern. „Komm mich abholen, ich zeige dir meinen Lieblingsplatz unten am Fluss. Dort können wir Picknick machen und den Tag verträumen.“ Das war am Vortag. Ich hatte gelacht und gleich zugesagt. Es muss April gewesen sein oder schon Mai, ja, ich glaube, es war schon Mai. Der Mistral hatte den Himmel blau gefegt, die Sonne schien sanft und streichelte uns mit angenehmer Wärme. Wir sprachen nicht viel, es war so eine unschuldige Frühlingsspannung an diesem Tag. Keine konkrete Ahnung, was noch passieren würde. Marie- Cathérine studierte Germanistik in Aix- en Provence. Und ich das Leben ebendort. „Hast du denn gar kein musique in deine bagnole?“ „Auf dem Rücksitz, da liegen ein paar Kassetten.“ Marie- Cathérine löste den Sicherheitsgurt, drehte sich um und kniete sich in den Sitz, um nach den Kassetten zu suchen. Ihr hellblaues Kleid flatterte leicht im Fahrtwind. „Et voilà!“. Sie ließ sich wieder in den Sitz fallen und zeigte mir stolz ihre Beute, zwei Kassetten. „Rechts oder links?“ „Links!“ Ich konnte sie nicht genau erkennen, aber irgendwie hoffte ich insgeheim, dass die Kassette in ihrer linken Hand die mit den ruhigen zum Moment passenden Songs und Chansons sei. „D‘ accord …“ Sie drückte die Kassette in das Abspielgerät, es dauerte ein paar Sekunden, bis Maxime LeForestier ’s Gitarrenintro zu „Education Sentimentale“ erklang. Es war die richtige Kassette und Marie- Cathérine setzte wieder ihr unnachahmlich verzauberndes Lächeln auf und sang leise mit. „Ce soir à la brume nous irons, ma brune ….“ Dann besang sie gemeinsam mit Georges Moustaki dessen Freiheit. Und als John Lennon fragte, ob es jemand gäbe, der seiner Geschichte zuhören wollte von einem Mädel, das zu bleiben gedachte, schaute sie grinsend zu mir herüber. Bob Dylan meinte, dass das Morgen noch eine lange Zeit entfernt liegt, was im gegenwärtigen Augenblick recht beruhigend klang und als der Wagen unten am Ufer ausgerollt war, war es Marie- Cathérine und nicht diese Suzanne, die mich zu ihrem Platz unten am Fluss mitgenommen hatte. Wir ließen die Türen offen und Leonard Cohen weiter singen. Und wir nahmen den Korb mit dem Wein, dem Käse, der Salami und der Baguette aus dem Auto, breiteten eine Decke aus, ließen uns darauf nieder und verträumten ganz nach Marie- Cathérine’s Wunsch diesen bis heute unvergessenen Tag.

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Le Sud

Provence

Thomas lächelte die Kellnerin an, als sie ihm den Café au lait brachte. Sie schien in ihren Gedanken verloren, das Lächeln erreichte sie wohl nicht. Thomas war seit gestern Mittag in der Stadt. Sein Herz machte einen Freudensprung, als er auf den Bahnsteig trat. Vor ziemlich genau vierzig Jahren war er zum ersten Mal hier gewesen. Damals mit seinem dunkelgrünen Renault 4 und eine ganze Menge Leben im Gepäck. Thomas zog seinen Trolley über den holprigen Belag. Das Geräusch der Rädchen nervte bereits nach 15 Metern. Er brauchte keinen Stadtplan, um zum Hotel zu gelangen. Alles war noch so vertraut. So machte er einen kleinen Schlenker zur Rotonde und nahm den Weg über den Cours Mirabeau. Für einen Moment schienen Zeit und Herz gleichzeitig still zu stehen. Auf den ersten Blick hatte sich nichts Merkliches verändert. Die alten Häuser, die alten Platanen. Die Cafés, die Restaurants. Die Geschäfte, die Banken. Die Hektik auf der Straße, das Fußgängergetümmel. Bunte Filmclips der Erinnerung zogen vor seine Augen.

Und jetzt saß er in einem Korbsessel mit grünen Polsterkissen. Der Frühling machte sich schon mächtig breit, der Duft von Aufbruch, von Neuem, von Unahnbaren. Er überprüfte sein Smartphone nach neuen Nachrichten. Nichts. Erleichtert nahm er einen Schluck Kaffee zu sich und schaute sich um. Sonnenbrillenwetter.

Noch eine viertel Stunde. Es war mal wieder eine dieser verrückte Ideen, auf die er sich da eingelassen hatte. Er kramte ein Foto aus der Jackentasche. Das Foto hatte etwas gelitten. Er prägte sich das Gesicht auf dem Bild noch mal ein. Als ob er das vergessen könnte! Die Kellnerin stand drei Tische weiter und unterhielt sich lachend mit einem jungen Mann.

Thomas blickte suchend um sich herum und verspürte ein ganz leichtes Kribbeln im Bauch. Er spürte wie eine Hand sich von hinten auf seine Schulter legte. „Hallo, ich bin Susanne. Thomas?“ Thomas zuckte leicht, aber äußerst erfreut zusammen. Susanne strahlte ihn an. „Toll, dass es geklappt hat.“

Ein Blind Date, für das beide zirka 1000 km gereist waren, nur um dem Frühling ein Stück näher zu sein.

DIA. – Fische können fliegen

DIA

Vor ein paar Tagen hatte ich das große Vergnügen, ein Konzert von DIA. zu erleben. „Erleben“ ist das richtige Wort. Stimme, Gitarren, Kerzenleuchter, Wohnzimmerambiente. Mehr braucht die Songschreiberin nicht, um ihre Lieder den Menschen näher zu bringen. Kein Mikrofon, keine weitere Tonverstärkung. Nichts als ihre wundervolle Stimme und Gitarrenbegleitung. Keine technischen Barrieren. Die Texte erzählen vom Leben, von den Ups and Downs., die jeder kennt. Ihr aktuelles Programm steht unter dem Titel „Fische können fliegen„.

Wer seinen eigenen Weg geht, dem wachsen Flügel“ Dieser Satz aus dem Zen liegt dem Programmmotto zu Grunde. Und DIA. geht eben diesen eigenen Weg. Und wenn du einem ihrer Konzerte lauschst, nimmt sie dich mit. Führt dich an alt bekannte Punkte und Orte deines eigenen Lebens, eröffnet aber auch neue Blickwinkel, aus denen man selbst noch nicht auf die Dinge geblickt hat. Das kann schmerzen oder auch ein Lächeln hervorzaubern. Die Schattierungen dazwischen sind so vielfältig wie das Leben selbst.

Viele Konzerte habe ich in letzter Zeit besucht und wenn ein Konzert am nächsten Tag noch nachhallt, dann muss es etwas Besonderes gewesen sein. Und dieses Konzert hallt nach. Auch Tage später. Versprochen. Wenn man Ohren und Herz offen hält. Es ist nicht leicht, deutsche Liedtexte zu schreiben. Der Schlagerkitsch lauert überall. Aber dieser Gefahr begegnet DIA. mit wohl gesetzten Worten und poetischen Bildern und das fern ab von etwaiger Betroffenheitslyrik.

Wenn ihr erleben wollt, wie Fische das Fliegen erlernen, besucht eines von DIA.’s Konzerten. Und wenn gerade keins in der Nähe stattfindet, ladet sie zu euch nach Hause ein zu einem Wohnzimmerkonzert oder in eueren Laden, euer Geschäft oder zu eurem Grillabend ans Lagerfeuer. Oder …

Euer Leben wird um einiges bunter sein danach.

Mehr Infos auf DIA:’s Webseite….
Hier gehts zu einem Video über DIA. und ihr Tun.

Weitere Fotos vom Konzert in Venn’s Theater, Roetgen.

River of Time

… and the river of time rolls on taking memories away of things that used to be …

Frohes Neues Jahr

Allen Lesern meines Blogs wünsche ich ein frohes, glückliches und gesundes Jahr 2012

Like a Hurricane

Like A Hurricane (zur Musik auf das Foto klicken)
Like A Hurricane (zur Musik auf das Foto klicken)

In einer Stunde ist Mittwochmittag, was auch gleichzeitig die Teilung der Woche bedeutet. Ich sitze in dem Zug, der durch die Tage rast und durch die Nächte, blicke durch mein Zeitfenster und sehe Gesichter vorbeihuschen, manche sind mir vertraut, manche werden immer verstrauter. Manche mochte ich nie missen, werde aber auf sie verzichten müssen. Erinnerungen an frühere Etappen meiner Reise werden wach, die Erinnerung gleitet aus den Hirnwindungen ins Herz, wo sie einen Moment innehalten, um sich mit leichter Wehmut zu vermischen. Nostalgie. Der Fahrtwind kämmt mir die flatternd wilden Haare nach hinten, er treibt mir Tränen in die Augen, dieser Zug ist nicht zu stoppen, allenfalls verlangsamt er ab und an vermeintlich seine Fahrt, um neue Mitreisende in die Gedanken aufzunehmen. Und genau diese kreisen um eine Nabe, zu der sich ganz allmählich die Speichen spinnen. Wenn daraus ein rund laufendes Rad werden soll, braucht es noch eine ganze Menge von diesen verlässlichen Verbindungen. Und ich wäre jetzt lieber wieder ganz woanders, nur bloß nicht hier, sondern da, wo das Lachen ist, dieses spezielle Lachen, das immer wieder mein Ohr streift und meine Seele mit einem Lächeln antworten lässt. Und manchmal bin ich wieder der kleine Junge, der diesen ganz bestimmten Lederfußball haben möchte, um den sich die ganze Sehnsucht legt, aber auch das Wissen, dass er ihn nur vielleicht bekommt. So lange muss er sich die Nase an der Schaufensterscheibe platt drücken und ihm bleibt nichts als die Hoffnung. Naja, ein bisschen mehr schon. Denn da ist dieses Knistern und Kribbeln und die Suche nach den richtigen Worten der schwebenden Leichtigkeit und der heiteren Unbefangenheit. Alles, was gerade jetzt noch diffus erscheint, formt sich zusehends zu einem prächtigen Ganzen, das strahlt und selbst die einsamsten Nächte erhellt. Ich bette mein Haupt auf das kalte Kopfkissen und bin bereit für die bestellten Träume (I am just a dreamer and you are just a dream) und erst recht für deren Erfüllung. Der Griff nach den Sternen ist machbar. Und der kleine Wirbelwind hat mich längst ergriffen, er sieht mich aus seinem ruhigen Auge an, schüttelt mich hin und her und trägt mich fort. Immer wieder. Wohin geht die Reise? Das wird sich zeigen.