Call Me The Breeze

Call Me The Breeze

Call Me The Breeze (zur Musik auf das Bild klicken)

Klack. Einfach nur klack. Eine Tür fällt beinahe lautlos ins Schloss. Nicht zugeschlagen aus Wut oder Enttäuschung. Einfach so, weil der Wind es so will. Aber leise und ohne Drama. Ein kurzes Verharren im luftleeren, schalltoten Raum. Dann wieder auf dem tosenden Highway mit leicht mehr als erlaubter Geschwindigkeit. Zwei Stunden habe ich Zeit auf dieser Fahrt, Gedanken gehen ein und aus. Ein Hauch von Verwirrung , der einfach nicht verfliegen will. Nicht einmal bei offenem Fenster. Ja, ich bewege mich die Straße hinunter in Richtung Hauptstadt unseres Nachbarlandes. Niemand ist hier bei mir und Lasten schleppe ich schon gar nicht mit mir herum. Ich höre J. J. Cale’s Song jetzt zum fünften Mal hintereinander. Und singe mit. Singe? Nein, gröle. Lauthals. Er tut mir gut, dieser Song an diesem frühen Samstagnachmittag. Trotz der Musiklautstärke genieße ich die überraschende Ruhe. Um mich herum. In mir. Gleich werde ich wieder aufgesogen in dem wogenden Getümmel eines Festivals. Werde Menschen treffen, die ich kenne. Mit Menschen sprechen, lachen. Menschen vermissen. Die Musik ist gut und tut gut. Seelenfutter. Weitaus schmackhafter als die vom Elektrogrill stammende, labbrige Bratwurst, die nur durch eine gehörige Portion Senf aufgewertet werden kann. Festivalleben. Ich bin wieder zuhause. Reiße einige hundert Male die Kamera hoch, fokussiere, warte auf den richtigen Moment, drücke auf den Auslöser. Dann wieder Backstage, hier gönne ich mir und meinem digitalen Begleiter eine Pause, höre weiter der Musik zu, lasse die Gedanken schweifen, wünsche mir einen winzigen Luftzug des kleinen Wirbelwinds herbei. Doch es bleibt windstill heute. „Let’s slow it down a bit“, sagt die Stimme von der Bühne. Ja, das werde ich tun, es wieder etwas langsamer angehen. Das Leben. Und bewusster. Die Lust an diesem Leben ist pur und ungebremst. Sonnen können jeder Zeit aufgehen, auch in der dunkelsten Nacht. Das ist passives Wissen und ich ahne jetzt nicht einmal, dass etwa 24 Stunden später genau dies der Fall sein wird. Aber so ist das mit mir und den Ahnungen. Umso überraschter bin ich dann, wenn sich Dinge einstellen, mit denen ich nie gerechnet hätte. Das geht in die eine wie in die andere Richtung. Oder wenn Türen zufallen, ganz leise. Oder Türen aufgehen ganz sacht wie von einer Feenhand, die mir mit einem sanften, breiten, warmen Pinselstrich gleichermaßen die Seele öffnet.

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These Dreams Of You

These Dreams Of You

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Es war wohl doch nur ein Traum, eine schöner, ruhiger, zufriedener Traum. Denn als ich aufwache heute Morgen, ist alles wie immer. Außer der Uhrzeit, der Wecker zeigt erst 6:30 Uhr, was eigentlich 5:43 Uhr bedeutet, da mein morgendlicher Alarmgeber nach meinem festen Willen und nach meiner gezielten Absicht 47 Minuten vorgeht. So ist meistens meine erste Tagesaufgabe eine Rechenaufgabe, nämlich die, die tatsächliche Zeit festzustellen. Die Rechenstrafe habe ich mir, dem ausgewiesenen Mathematikversager und -verweigerer, freiwillig auferlegt. So kommen die grauen Zellen schon einmal auf einen – wenn auch nur leichten – Trab. Erleichtert lässt sich zudem jedes Mal feststellen, dass es noch gar nicht so spät ist. Nein, es ist heute wie immer und ich bedauere, aus dem Traum herausgeschleudert worden zu sein. Der Versuch, wieder zurück und in ihn hinein zu kriechen, scheitert kläglich. So finde ich mich also mit der morgendlichen Realität ab. Ungern und völlig widerwillig, aber dem aktuellen Schicksal ergeben. Meine Gedanken müssen zudem derzeit eine heftige Menge Kilometer mehr überwinden als sonst sowieso schon, aber sie sind auch heute klar umrissen und genau dahin gerichtet, wo ich jetzt auch gerne wäre. Vieles gibt es, das das Auge nicht sieht und das der Mund nicht ausspricht, die Hand nicht berührt. Aber eben das ist vorhanden. Okkult. Und dennoch: Es scheint wieder die Sonne, wie so oft in letzter Zeit. Warum sie mir heute direkt ins Herz scheint und ein wenig Wehmut und Sehnsucht aufkommen lässt, kann ich nicht direkt einordnen. Die Ursache vermute ich in dem nicht ausgeträumten Traum, der mich immer noch in dieser seltsamen Stimmung hält. An etwaige Inhalte kann ich mich gar nicht erinnern. Es bleibt aber ein wohliges Gefühl, das wie ein Septimakkord eine Auflösung begehrt. Doch diese stellt sich nicht ein, und somit bleibt alles in der mich umgarnenden Schwebe. So wünsche ich mir deine Stimme herbei, die deine Worte spricht, wie nur sie es kann, dein Lachen, dein Lächeln. Diese existentialistische und radikale Art, das Leben auf den Punkt zu bringen und alles andere als optional zu bezeichnen, hat mein Innerstes tief berührt. Und trotzdem: Sie sind durchaus möglich, die guten Zeiten in der Zukunft, auch und vielleicht gerade dann, wenn man die eine oder andere verlässliche Option hinzubucht. 

Born To Be Wild

Born To Be Wild

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Seltsam. Manchmal habe ich das Gefühl, mir selbst im Weg zu stehen. Dann sind es doch wieder die anderen, die mich ausbremsen in meinem Anflug von frischem Elan. Meistens aber ist mir der eigene Tellerrand wieder viel zu weit weg und ich plansche träumend in der Suppe, die ich mir selbst eingebrockt habe und vermisse ultimative Auswege aus der blubbernd schwappenden Misere. Ab und zu gibt es Zeiten, in denen ich fühle, alles könnte so einfach sein. Und gut. Dazu bedarf es im Grunde nur einer Kleinigkeit. Ein einziges treffendes Zeichen von einer bestimmten Person zum Beispiel könnte mich in genau diesem Gefühl bestätigen. Selbst bin ich der Meinung, eine Batterie von verständlichen, nicht übersehbaren Willkommensleuchtfeuern gezündet zu haben. Denke ich jedenfalls. Und schon sehe ich mich wieder in der Warteposition und ich werde regelrecht ungeduldig, weil es mir wieder einmal nicht schnell genug geht. Diese Ungeduld lähmt und versperrt die Sicht auf beispielsweise zwei kleine Worte im großen Buchstabenmeer, die ich beinahe überlesen hätte. Schade wäre es gewesen, hätte ich sie nicht bemerkt. Die pochende Ungeduld ist nun aufgeweicht und ich könnte die Welt umarmen, nicht die ganze, dazu reichen meine Arme nicht, nein, meine eigene kleine Welt würde bereits genügen. Innehalten würde ich und erneut sagen, dass ich mich daran gewöhnen könnte, immer wieder für einige Augenblicke glücklich zu sein. „Take the world in a love embrace…“ Ich höre John Kay’s Stimme genau diese Zeile singen mitten in dieser sternklaren Nacht unter dem Sichelmond, da draußen zwischen all den Zelten und im diffusen Stimmengewirr. Ein Bild für die Ewigkeit. Dass ich die Augen geschlossen hatte, fällt mir erst auf, als ich sie im gleichen Moment so widerwillig öffne wie meine Arme, um mich der Realität zu stellen. Wieder sind unsere Wege gegenläufig, ich hadere noch mit mir, ob ich mich noch einmal umdrehen soll. Als ich mich letztendlich dazu durchringe, weiß ich, dass es dafür längst zu spät ist.

The Devil Is An Angel, Too

Moulin Blues 2011

Moulin Blues 2011 (zur Musik aufs Foto klicken)

Festival. Zwei kurze Nächte, um die tausend Fotos und einige Mückenstiche später ist der wunderbare Spuk vorbei, ich bin zwar wieder in meiner gewohnten Umgebung, dämmere noch lustlos durch den Sonntag. Home is where the heart is. Einige schwebende Fragezeichen ziehen Kondensstreifen am makellos blauen Himmel. Jetlag. Hangover. Jetzt drückt der Alltag wie ein zu kleiner Schuh auf die aufgewühlte Seele und pfercht sie wieder ein. Der monotonen Pflicht folgend sitze ich wieder am Schreibtisch und tue, was ich tun muss. Zwänge und die Sucht nach Freiheit liefern sich arge Gefechte in meinem Gemüt. Dazu klopft die Ungewissheit an verschiedene Fenster der Zukunft. Doch es bleibt die Gewissheit des Erlebten, des nicht mehr Verrückbaren, der Nachhall der gesprochenen Worte und des Lachens, die Augenblicke des Wohlbefindens in bester Gesellschaft. Aber auch das schwingt mit: Missverständnisse und eine vermeintlich verpasste Chance. Bewusst sage ich „vermeintlich“, oberflächlich betrachtet mag die Situation so aussehen, bei genauerem Betrachten kehrt die Gelassenheit zurück und alles ist gut so, wie es nun einmal ist. Selbst der Teufel ist ein Engel. Vielleicht ist auch jeder Engel ein potentieller Teufel. Wer kann das schon wissen? Immer wieder bahne ich meinen Weg durch die ausgelassene Menge der Leute, die hier friedlich zusammen gekommen sind, um den Blues zu feiern, der Musik zu lauschen, den Künstlern Applausteppiche zu bieten. Hier und da ein freundlicher Schlag auf die Schulter zur Begrüßung, hier und da ein paar schnelle Worte. Und endlich strahlt es mir entgegen, das Lächeln, auf das ich schon so lange warte. Die Sonne ist großzügig an diesem Wochenende. Es ist der helle Wahnsinn. Das Programm ist voll gepackt und am Ende resigniere ich, kann und will nicht mehr stehen. Bei Kaffee und Bier klingt der Abend in der Lounge aus. Ein langes Gespräch gibt wieder einiges an Ruhe und Einmut zurück. Das Missverständnis wird verständlich, das Lachen wieder laut und deutlich. Die Nähe und die Vertrautheit sind wieder da. Und später beim innigen Abschied weiß ich, dass man sich trennen muss, um sich wieder zu sehen. Wann und wo auch immer dies sein mag.