Golden Brown

Golden Brown

Golden Brown (zur Musik aufs Foto klicken)

Verfangen in der dunkler und stiller gewordenen Nacht und in den herbstlich dichten und grauen Nebelschwaden. Warteschleifen verknoten sich bis hin zum Ungewissen und sind schwer zu ertragen und erst recht schwer wieder zu entwirren. Zu viele Gedanken auf einmal durchpochen das immer wache Hirn. Fragen, Zweifel, Wünsche. Nicht schon wieder! Hör auf, dich zu quälen, lass los. Endlich. Vertraue. Ja, das tue ich dann. Dennoch kriecht widerwillig der Tag heran in aller Stille. Ohne Worte. Ohne Antworten. Vielleicht fehlen ja auch die Fragen. Soll ich sie formulieren, sie stellen? Oder sie lieber lassen? Enttäuschungen passieren nur, wenn man Erwartungen hat. Ich stehe auf, es ist kurz nach Fünf, stolpere barfuß über eine leere Weinflasche. Der Schmerz im Zeh erreicht mein Bewusstsein erst Sekunden später. Ein stummer Schrei. Es schmerzt, ja. Eingestehen muss ich mir das erst gar nicht, aber ausreden brauche ich es mir ebenso wenig. Es ist passiert und sollte so sein. Schicksal. Aber ist das jetzt etwas wirklich Dramatisches? Sicher, es wäre nicht geschehen, wäre ich nicht aufgestanden, hätte ich Licht eingeschaltet, hätte ich vorher die Weinflasche auf den Tisch gestellt oder noch besser: Wäre ich jetzt überhaupt gar nicht erst hier. Wäre! Hätte! Ein Leben im Konjunktiv unter Betrachtung von Kausalketten? Nein Danke! Dann doch lieber ein Leben im Indikativ mit einem für wenige Momente schmerzenden Zeh. Und gemessen am Großen und am Ganzen verliert solcher Schmerz schnell an Bedeutung. Und Stunden später liegt die leere Weinflasche in der Kiste für Altglas, der Zeh steckt in einem wärmenden Socken und hat die Kollision gut verdaut, die Nacht ist Sonnen beschienener Tag geworden, das Warten hat ein Ende, die Stille ist gebrochen und ich blicke hinaus in den goldbraunen Oktober. Kein Stirnrunzeln. Alles ist gut. Und die Gedanken? Die tanzen wieder im Dreivierteltakt. Endlich.

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Morblus am 16.10.2010 im Café de Weegburg, Roermond (NL)

Roberto Morbioli

Roberto Morbioli

Als wir gegen 20:30Uhr das Café de Weegbrug betreten, ist die Band gerade beim Soundcheck. Die Vorbereitungen für das zweite Konzert der Truppe um Roberto Morbioli an diesem Samstag sind schnell abgeschlossen. Sie kommen direkt aus Amsterdam, wo sie vor etwa 100 Zuschauern ein Radiokonzert gegeben haben.

So ist das im Showbusiness, da muss man mitnehmen, was sich bietet. Auch wenn es dann zwei Mal am Tag heißt: Anreisen, auspacken, aufbauen, Soundcheck, Showtime, abbauen, einpacken. Die Oktobertour von Morblus dauert ca. drei Wochen und führt durch Deutschland, Frankreich, Belgien und die Niederlande.

Es ist ein Wiedersehen mit vier sympathischen Menschen, die zudem alle ihr musikalisches Handwerk aufs Beste verstehen: Roberto Morbioli, Gitarre, Vocals, Daniele Scala, Hammond & Keyboards, Stefano Dallaporta: Bass und Diego Pozzan: Drums.

Der Beginn des Konzerts ist für 22 Uhr angesetzt, nur tröpfchenweise stellen sich die Zuschauer ein. Es bleibt Zeit für den einen oder anderen Plausch mit den Musikern, die ich im August dieses Jahres beim Festival «Blues au Château» im bretonischen La Chèze bereits kennen und schätzen lernen durfte.

Gegen 22:30Uhr ist dann endlich Showtime. Die Band ist sofort und auf den Punkt genau da. Und von den ersten Takten an weiß man, dass da nichts anbrennen wird, ja, nichts anbrennen kann.

Das Repertoire der Italiener ist so breit gefächert, dass es jede Sekunde in sich hat. Und diese Sekunden werden ca. drei Stunden füllen müssen. . Heute Abend hören wir Songs wie:«Everyday I Have The Blues», «My Shoes», «I Play The Blues For You» oder «Hallelujh, I Love Her So».

Daniele Scala & Diego PozzanStefano Dallaporta & Roberto MorbioliRoberto Morbioli

Natürlich brillieren wieder einmal die Soloinstrumente, Gitarre und die Hammond, denn beide sind besetzt mit hervorragenden Musikern. Aber auch das beinahe unauffällige Grundlagenspiel von Schlagzeug und Bass – abgeliefert von zwei ebenfalls absoluten Könnern ihres jeweiligen Fachs – ist stets auf der Höhe des Geschehens, stützt das gesamte Bandgefüge und treibt es immer wieder zu neuen Höhenflügen an.

Darüber hinaus erhalten Stefano und Diego immer wieder Freiräume für solistische Einlagen.

Und über allem thront Robertos sichere, kräftige und vielseitige Stimme

Morblus ist eine Band, die schweißtreibend arbeitet und trotzdem niemals ihre Spiellaune oder ihren Spielwitz verliert. Das inzwischen auf ein manierliches Maß angewachsene Publikum weiß das zu schätzen.

Morblus ist ein geschlossenes Ganzes, eine Maschine, die permanent unter Dampf steht. Die einzelnen Titel gehen fast ohne Unterbrechung in einander über und überspringen häufig die zehn Minuten Grenze. Wir erleben feinsten Blues à la Albert King, bisweilen swingt ein wenig Jazziges durch. Alles wird immer wieder gewürzt mit feinsten Hammond- Klängen und treffsicheren Gitarrenlicks.

Morblus ist eine Band, die man gesehen und gehört haben muss, denn in Sachen Blues gehört sie meiner bescheidenen Meinung nach zweifellos zum Besten, was unser alter Kontinent augenblicklich zu bieten hat.

Und dennoch sieht sich diese Band leider noch in einem Stadium, in dem sie kämpfen muss, um überhaupt Auftrittsgelegenheiten zu erhalten. So wird sie weiter touren und touren und ich bin sicher, dass es immer mehr Menschen geben wird, die sich meinem Fazit „unbedingt nicht verpassen“ bedingungslos anschließen werden. Veranstalter, die heute noch zögern, werden spätestens dann auf den Morblus– Zug aufspringen (müssen).

Wer es dieses Mal nicht geschafft hat, eins der Konzerte zu besuchen, dem kann ich ebenfalls uneingeschränkt die gerade frisch erschienene CD «On The Way Back…» ans Herz legen. Sie macht die Pause bis zur nächsten Tour Anfang März 2011 um einiges erträglicher.

Text und Fotos (c) 2010 Tony Mentzel

Little Wing

Little Wing

Little Wing /zur Musik aufs Foto klicken)

Wenn Zeit eine andere Dimension bekommt und nicht nur einfach so verrinnt, sondern etwas Bleibendes hinterlässt, der Tag bewusst gelebt und gefühlt wird und auch die Nacht, spürt man eine innere Ruhe, einen tiefen Frieden, eine gelassene Zufriedenheit, die einem sagt, dass ein Mehr im Augenblick gar nicht möglich ist und auch nicht nötig. Das Wandeln durch Zeit und Raum wird belebt durch Musik, die uns trägt, durch Blicke, die wir uns senden, die eine eigene Sprache sind und so für sich und dann auch nur für uns sprechen. Ein Wiedersehen mit Menschen aus einer anderen Welt und einer noch nahen Vergangenheit und immer wieder das Spüren, angekommen und angenommen zu sein. Es ist Respekt und Verbundenheit, ja beinahe verschworene Komplizenschaft, die uns lächeln lässt. Das Ohr habe ich direkt am Puls des Lebens und am schlagenden Herzen, dort, wo einem alles liegt, was wichtig ist, in meiner Nase die Düfte, die betören, weit weg von den Rauchschwaden verbrannten Tabaks in urigen Kneipen, meine Augen sind gerichtet auf die Schönheit des Augenblicks, auf den sanften und geschmeidigen Flügelschlag der Möwe, die sich frei in die Lüfte schwingt, in meinem Mund formen sich klare Worte aber auch Verschwiegenheit und der Geschmack eines wunderbar köstlichen Mahls erfreut noch lange Zunge und Gaumen, meine Hände ertasten im Dunkeln den Weg, und lassen sich nicht beirren, sie finden ihre Ziele und führen uns genau dahin. Eine Wärme, die uns um- und durchflutet, mit ausnehmend tiefer Wirkung, die nur noch gut tut und einen schweben lässt. Es ist ein Tag, der die 24- Stundengrenze durchbricht und übertrumpft, die Nacht erleuchtet und den Vormittag ergrauen lässt, ein Tag in unseren Leben, der so ist, wie er ist, leicht und gut und einzigartig, und den wir uns genommen haben. Für uns. Für das Jetzt und auch für unsere restliche Ewigkeit. Fly on little wing…

Indian Summer

Indian Summer

Indian Summer (zur Musik auf das Foto klicken)

Tief steht sie, die Sonne, ich blinzele in den überbelichteten Horizont, gegen den sich rote Warnsignale an Kirchturmspitzen abheben. Der Senf treibt gelbe Blüten, im Wald riecht es modrig und die verschiedensten Pilze strecken ihre Köpfe aus dem Boden. Ein opulentes Mahl für den, der sie zu nehmen weiß. Unsere Schritte sind kaum vernehmbar im in weichen, sandigen Heideboden. Worte fallen sanft in die abendlich ruhige Landschaftskulisse, während wir abseits von ausgetretenen Pfaden wandeln. Bisweilen knackt ein tauber Zweig unter dem Fuß. Ich halte meine beiden Hände gegen den Himmel, forme sie zu einem T und nehme uns aus der laufenden Zeit. Sie bleibt nicht stehen, doch diese Momente sind von nun an Momente für eine endliche Ewigkeit. Eingebrannt in das Gedächtnis, abrufbereit für die Zukunft. Dieser Oktober beginnt golden, umhüllt uns mit dem Licht und der Restwärme eines Sommers, der längst dahin gefahren schien. Tausende Buchstaben schwirren durch meinen Kopf, finden sich schließlich zu Worten, die sich wiederum zu runden Sätzen ordnen. Einen Teil davon spreche ich aus jetzt, ohne weiteres Nachdenken lasse ich die Gedanken sprudeln, den anderen behalte ich für mich, obwohl mein Herz davon überläuft. Den Blick suchend auf den Boden gerichtet, schreiten wir voran. Hier und da halten wir inne und du legst einen weiteren Pilz in deinen Rucksack. Später, als die Waldesfrüchte mit einer klein gehackten Zwiebel in der Pfanne schmoren und ihren Duft in die Küche strahlen, öffne ich eine Flasche Rotwein, gieße zwei Gläser voll. Du stehst am Herd, drehst dich zu mir und fragst, ob es mir gut geht. Ich nicke und aus Tausenden möglicher Worte wähle ich nur ein kurzes Einziges: „Ja.“

Thorbjørn Risager am 04.10.2010 im Spirit of 66, Verviers (B)

Power Trios mag ich sehr. Schon wegen der Transparenz im Sound. Doch schon beim Blick auf die noch musikerlose Bühne des Spirit of 66 fällt durch intensives Zählen und Umrechnen auf, dass wir es am heutigen Montagabend mit 2 1/3 Power Trio zu tun haben werden.

Ein veritables Septett also. So bin ich gespannt auf den Sound, denn sieben Instrumentalisten plus Gesang, die muss man klangtechnisch erst einmal bändigen.

Aber am Mischpult steht wie immer Francis Geron, der Inhaber des Spirit of 66, ein Garant für den besten Klang im Saal. Ums gleich vorweg zu nehmen: Auch eine sieben Mann starke Combo bereitet ihm keinerlei Probleme. Nichts klingt vermatscht. Alle Instrumente sind klar erkennbar.

Die Besetzung der heutigen Band: Thorbjørn Risager – voc, gtr, Emil Balsgaard – keyb, Svein Erik Martinsen – gtr, Kasper Wagner – Sax, Peter Kehl – Trompete, Søren Bøjgaard – Bass und Martin Seidelin – drums.

Gleich der erste Titel «Movin‘ On» ist richtungweisend. Das geht ab, wie die berühmte Katze von Herrn oder Frau Schmitz. Ich stehe vor einer in sich gefestigten Schallmauer, aus der bei gut dosierter Lautstärke feinster Blues an und in meine Ohren klingt.

Für mich ist es die erste persönliche Begegnung mit Thorbjørn Risager und seinen Mannen. Auch hier frage ich mich immer wieder, warum es so lange gedauert hat, diese Band einmal live zu erleben. Doch lieber spät als gar nicht. Heute haben wir zusammengefunden. Und ich spüre schon nach den ersten Akkorden des Openers, dass es wieder einmal gut war, den inneren Schweinehund mit dem Namen „Eigentlich bräuchte ich jetzt Ruhe!“, zu überwinden, mich ins Auto zu setzen und die 40km nach Verviers zu fahren.

Schlagzeuger sitzen meist im Hintergrund einer Bühne und fallen nicht besonders auf, aber eine filigrane Dampfmaschine wie Martin Seidelin ist die treibende Kraft in dieser Formation. Aber neben der Kraft, die Martin auszeichnet, hat er auch ein Feingefühl fürs Timing. Seine Fill- Ins sind bisweilen etwas überraschend, aber immer auf den Punkt.

Weniger auffällig, aber nicht minder präzise und variantenreich zupft Søren Bøjgaard seinen Harmony Bass. Mit den Beiden ist das Fundament geschaffen, auf dem die anderen fünf Musiker ihr Tun aufbauen können.

Ein Bläsersatz gibt einem Bandgefüge immer eine besondere Würze. So auch hier: Ob im rhythmischen Stakkatoeinsatz, in flächiger Untermalung oder im Solospiel, Kasper Wagner und Peter Kehl geben mit Saxofon und Trompete dem Gesamtsoundbild eigene „Kupfer-“ Färbung.

Der Keyboarder Emil Balsgaard, „From the dark side of Copenhagen…“, wie Thorbjørn Risager ihn ankündigt, spielt viel Begleitung und hat ab und zu eine Soloeinlage, die von allerbesten Spiel zeugt.

Lange habe ich keine Band mehr gesehen, die mit gleich zwei Gitarristen aufwartet. Dass dann auch noch beide „Saitenquäler“ sich in nichts nachstehen, ist mehr als lobenswert. Klar, Thorbjørn Risager ist der Chef und hat mit seiner Stimme und mit seinem Gibson ES335 Nachbau jederzeit das Heft in der Hand.

Doch es ist schön zu sehen, wie gitarristische Freiräume entstehen, die neben Thorbjørn auch von dem aus Norwegen stammenden Svein Erik Martinsen, mit seinem sehr gut klingenden Telecasternachbau für das Standardspiel und einer Gibson SG für das Slide- Spiel, genutzt werden.

Die beiden Sechssaitenspieler kommen sich weder soundmäßig noch spielerisch in die Quere – im Gegenteil, sie harmonieren perfekt. und es macht Laune, den Beiden bei ihrem Tun zuzuschauen.

Unerwähnt lassen sollte ich auch nicht das Stimmpotenzial von Thorbjørn Risager, seine kräftige, dunkle, durchsetzungsfähige Stimme passt hervorragend zu seinen Songs. Hier stehen unter anderem auf der Liste: «Burning Up», «Go Down», «Stand Beside Me» oder «Same Old Blues»

Gleich welchen Titel die Band präsentiert: Es groovt bis in die kleinen Zehen.

Das Saal ist gut, aber nicht gerade übermäßig gefüllt, doch alle hier sind gepackt von der Musik und von einer Band, die ihr Handwerk versteht.

Fazit: Wieder einmal ein Act, den man unbedingt nicht verpassen sollte. Gelegenheit dazu wird es reichlich geben, den Thorbjørn Risager und seine Truppe haben sich vorgenommen, demnächst auch vermehrt in der Bundesdeutschenrepublik zu spielen. Nix wie hin in die Konzerte!

Lookin‘ Forward

Lookin' Forward

Lookin' Forward (zur Musik auf das Foto klicken)

Es ist Samstagmorgen, ich wusele in der Küche herum und habe endlich Lust, alles auf den Kopf zu stellen. Aus dem CD- Player klingt die neue CD der Doobie Brothers und hört sich an wie eine von ganz weit Damals. Nein, ich fühle mich nicht krank an diesem Morgen im Oktober, doch diese Musik ist wirklich wieder wie ein Doktor. Die Medizin ohne indizierte Nebenwirkungen gegen aufkeimende Herbstmelancholie. Sie hat den ewigen Sommer in sich, diesen Sommer, der das Herz erwärmt und die Seele. Ein perfekter Einstieg in einen Tag, an dem ich aufräumen werde mit einem gehörigen Stück der Vergangenheit, ausmisten. Fort mit dem seit Jahren nicht beachteten Dingen, die nur noch als Staubfänger dienen oder tief in dunklen Schubladen sinnlos dahin dämmern. Dinge, von denen ich mich lange nicht trennen mochte, die aber jegliche Bedeutung verloren haben und noch nicht einmal zur süßen Erinnerung mehr taugen. Es wird Zeit, Schnitte nachzuvollziehen, die das wahre Leben längst vorgenommen hat. Eine Wand habe ich letzte Woche bereits eingerissen und ich kann seitdem wieder freier atmen. Das so geschaffene Mehr an Raum animiert zu frischen Ideen. Erneuerung. Umstellen. Nicht nur der Mai macht alles neu. Der Start in den Oktober gestaltet sich sehr schwunghaft, energiegeladen. Dabei hat das Aufräumen schon lange vorher angefangen. Im Kopf. Die Klarheit ist immer mehr gereift. Und der Herbst ist bekanntlich die Zeit zu ernten. Und heute ist die Sicht klar. Ein wunderbarer Altweibersommertag lässt mich das Leben spüren und nach vorne schauen. Die tiefe Sonne streift meine Seele und meine geschlossenen Augenlider, hinter denen sich das Bild eines Gesichts aufbaut, das langsam sich dem meinen nähert. Unverkennbar und deutlich.

«Looking forward, all that I can see
Is good things happening to you and to me»