Es ist Sonntag kurz nach 12 Uhr. Der Tank ist gefüllt, die Tagesmarschzahl ist gesetzt, das Navi mit dem groben Ziel Caen in der Normandie versehen und der Option: „Dann schauen wir weiter…“ Ich beantworte noch eine liebe und wichtige SMS und starte den Motor.
Regen hat eingesetzt, er wird mich quer durch Belgien begleiten, zum Glück wird das nicht auch der Mähdrescher, der mir gleich auf den ersten Kilometern den Schnitt verhagelt.
600 Kilometer bis Caen, voraussichtliche Ankunftszeit, 17:15 Uhr, wenn ich ohne Pause durch fahren würde.
Es lässt sich gut fahren an diesem Sonntag. Die LKW haben generell Fahrverbot und an PKW ist nicht allzu viel unterwegs.
Gedanken und Bilder der vergangenen Tage schwirren durch den Kopf. On The Road Again. Ja, ich bin wieder unterwegs. Unterwegs in das immer wieder von mir gelobte Land. In dem ich jung war und so manches vom Leben lernte.
Erinnerungen kommen auf, ein Lächeln huscht über meine Lippen. Wie lange ist das jetzt her, dass ich das erste Mal in die Bretagne gefahren bin? 40 Jahre? Ich kann rechnen, wie ich will, es sind tatsächlich 40 Jahre! Seufz! Dabei habe ich nicht einmal den leisesten Wunsch, wieder der zu sein, der ich damals war. Denn im Großen und Ganzen bin ich zufrieden mit dem, was aus dem von damals geworden ist. Ohne dabei in Selbstzufriedenheit zu versinken.
Etwa 60 Kilometer vor Caen mache ich Tankpause. Ein junger Typ spricht mich auf Deutsch an, ob ich ihn ein Stück mitnehmen könne. Er wolle in die Bretagne. Dabei siezt er mich. Hm, ich bin wohl doch schon so ziemlich in die Jahre gekommen.
Irgendwie ist er mir sympathisch. Meine Bedenken sind nur von kurzer Dauer, sein Rucksack liegt im Kofferraum und Marvin aus Hamburg sitzt neben mir auf dem Beifahrersitz und erzählt mir von seinen Abenteuern in Calais und seiner Arbeit in der Landwirtschaft in der Provence.
Er will in St. Malo jemanden treffen. Somit ist mein Tagesziel dann auch entschieden. Mit dem Gedanken, direkt bis in die Bretagne zu fahren, hatte ich auch schon geliebäugelt.
Die letzten 200 Kilometer werden recht kurzweilig. Wir Beide schwärmen von diesem Land, schimpfen auf verständnislose Obrigkeiten, die es leider hier wie überall gibt.
Es ist kurz nach 20 Uhr, als wir durch St. Malo kurven, auf der Suche nach dem Hauptbahnhof, dort wird mein Begleiter seine Leute treffen.
Der Abschied ist kurz und herzlich, jetzt wird es Zeit, einen Schlafplatz zu finden. Ich entscheide mich für Cancale und seinen Campingplatz.
Dort aber scheint sich niemand mehr um Spätankömmlinge zu kümmern, das Office ist seit 20 Uhr geschlossen.
An der Küste entlang geht es wieder zurück Richtung St. Malo. Die Tankuhr zeigt mittlerweile auch wieder Reserve, ich hatte nicht voll getankt, da die Preise an Autobahntankstellen immer erheblich und empfindlich höher sind als sonstwo.
Die 24/24 Stunden Tanke eines Supermarkts hilft mir auch nicht weiter, da ich über keine entsprechende Kreditkarte verfüge. Dafür werde ich in Rothéneuf, einem Vorort von St. Malo, Camping technisch fündig. Der Platz nennt sich „Le Nicet“. Ein freundlicher Herr zeigt mir, wo ich mich niederlassen kann. Er verlangt noch nicht einmal, wie sonst üblich, einen Personalausweis. Alles Weitere könne ich ja mit seinem Kollegen am nächsten Morgen klären. Aha. Gut, also.
Der Platz liegt oberhalb einer Bucht, man hat einen schönen Blick aufs Meer und auf den Sonnenuntergang.
Dass mich die Fahrt hierher doch geschafft hat, spüre ich, als ich mir einige Minuten konzentrierter Ruhe angedeihen lasse.
Das Zelt werde ich hier und heute nicht aufbauen. Etwas zu essen bekomme ich bei den freundlichen jungen Leuten, die mit ihrem Imbisswagen angerückt sind. Zwei Galettes, eine mit Käse, die andere mit Schinken werden begleitet von einem Rosé, soweit mein Abendessen.
Ich höre noch etwas Radio, RFM. Hier ist die Musik in der Hauptsache erträglich. Irgendwann schließt mich der Schlaf in seine Arme. Einige Male werde ich wach in dieser Nacht, schaffe aber immer wieder den Wiedereinstieg in Schlaf und Träume.
Gegen halb Acht bin ich dann putzmunter.13, 20€ kostet mich die Übernachtung.
Wie von selbst bringt mich mein Auto wieder in die Innenstadt von St. Malo. Da es noch relativ früh ist, finde ich schnell einen Parkplatz direkt an der Uferpromenade.Am Strand und im Hafen mache ich einige Fotos. Dann beschließe ich Richtung Dinard zu fahren. Hier weiß ich einen Hot Spot, um meine Mails abzurufen und einige andere abzusetzen.
Was ich dann auch tue, während ich einen Espresso aus einem Pappbecherchen „genieße“.Direkt gegenüber ist ein Supermarkt deutscher Provenienz, natürlich auch besetzt mit Waren aus hiesiger Produktion.Eine kleine Honigmelone, ein paar Flaschen Gris, Käse, Spaghetti, Oliven, Olivenöl ind meine Beute.Dabei fällt mir ein und auf, dass ich während des Packens zu Hause vergessen habe, eine Pfanne und einen Kessel mitzunehmen. Diese bekomme ich im Riesensupermarché gegenüber.
In beiden Läden wälzen sich wahre Karawanen von Kaufwilligen durch die Gänge.Weiter geht’s Richtung St. Brieuc. Nach ein paar Kilometern biege ich einer spontanen Eingebung folgend rechts ab und lande in dem Örtchen St. Jucat de la Mer.
Der Camping Municipal bietet mir seitdem Unterschlupf. Er liegt direkt an einer Meeresbucht mit einem gut aufgeräumten Sandstrand. Das Witzige an diesem Platz ist, dass sich Wohnwagen und Zelte um ein ausgewachsenes Fußballfeld gruppieren.Camping Municipal St. Jucat de la Mer.
Hier üben sich in Ronaldo-, Schweinsteiger-, Zidanetrikots gewandete Kids in ihren Ballkünsten, wobei die Lederkugel etliche Male in mein sich im Aufbau befindlichen Zelt einschlägt.
Filed under: Fotos, Sommer, Tagebuch, Unterwegs | Tagged: Bretagne, Rothéneuf, St. Jucat. St. Brieuc, St. Malo, Urlaub |
Kommentar verfassen