Montagmorgen in Roseto. Nach dem Frühstück begleiche ich meine Hotelrechnung. Der Internetladen macht erst um 10Uhr auf. Am Ortseingang habe ich gestern einen ziemlich großen Supermarkt gesehen. Wenn ich unterwegs im Ausland bin, schaue ich mir gerne die Konsumtempel des Landes an. Außerdem ist meine Lesebrille gestern zerbrochen, Ersatz ist gefragt.
Die Obst- und Gemüseauslage ist wie in allen mediterranen Ländern üppig und bunt. Ich ziehe vorbei an der Wurst- und Fleischabteilung dann an der Meeresgetiertheke, um schließlich an Käsestand zu verharren und die verschiedenen Duftnoten durch meine Nase rieseln zu lassen.
Das Angebot im Weinregal ist förmlich erschlagend. Meine Wahl fällt schließlich auf eine Flasche Bardolino, die sogleich in meinen Einkaufswagen wandert.
Eine passende Lesebrille finde ich dann auch noch und irgendwie ruft mich der Wurststand magnetisch zurück, wo ich mir dann noch eine kleine Salami mit Walnüssen und Trüffel zulege. Zwei Panini und ein paar Tomaten müssen auch noch sein und die Vorfreude auf ein kleines Strandpicknick im Laufe des Tages nimmt ihren genüsslichen Lauf.
Dann fahre ich zurück ins Stadtzentrum von Roseto. Im Internetcafé rufe ich meine Mails ab, zum Glück ist nichts allzu Dramatisches dabei, ein paar liebe Grüße aus der Heimat beantworte ich mit ein paar lieben Grüßen in die Heimat.
Danach gibt es eigentlich nichts mehr, was mich hier hält. Mir ist klar, dass es nicht einfach werden wird, die zirka 130 Kilometer bis Ancona über zwei Tage zu verteilen.
So gehe ich die Strecke gelassen gemütlich an. Halte hier und dort, mache ein paar Fotos, trinke Kaffee und lasse mir so richtig Zeit und somit es mir genau so richtig gut gehen. Fern ab jeglicher sonst implantierten Hektik. Ich spüre, dass dieser Rhythmus mir gut tut, ich kann die momentane Freiheit genießen.
Am Nachmittag verschwinden die Wolken zusehends und die Sonne scheint schüchtern, jedoch recht freundlich, durch die Reste.
Die Adria wird dennoch bestimmt nicht zu meiner Lieblingsküste. Die Bauschandtaten vergangener Jahrzehnte wissen genau das mir zu vermiesen. Hier wurde gebaut, frei nach dem Motto: „Wie bekommt man möglichst viele Menschen zugleich an einem einzigen Ort unter?“ Die Antwort sind die Touristensilos wie man sie schon von der spanischen und der der belgischen Küste her kennt. Und die bekommen allesamt von mir ein „Nein Danke, muss ich nicht haben, will ich nicht haben!!“
So laden mich all die Orte entlang der Küstenlinie nicht gerade zum längeren Verweilen ein. Eine rühmliche Ausnahme bildet Porto Recanati. Der Ort macht einen in sich gewachsenen Eindruck, einzig eine riesige Bettenburg verunziert, das Ende der für Autos gesperrten Strandpromenade.
Bis Ancona sind es nur noch 25 Kilometer. So beschließe ich, mir hier oder in der Nähe eine Bleibe für die Nacht zu suchen.
Die Quote der offenen Hotels ist hier nicht allzu hoch, so werde ich erst 6 Kilometer weiter nördlich von Porto Recanati fündig.
Egal. Mit meinem Bardolino, den Panini, den Tomaten und der Salami und meinem Multifunktionsmesser mache ich mich auf zum Strand.
Gut, dass ich einen Pullover und die Jeansjacke angezogen habe, die Lufttemperatur hat inzwischen reichlich gelitten.
Mein Abendbrot genieße ich mit Meeresblick, weit und breit kein Mensch zu sehen. Die Dämmerung setzt ein, ein wenig durchgefroren bin ich mittlerweile auch, also gehe ich zurück in mein Hotelzimmer, das einen Fernseher bereit hält, auf dem man wiederum ARD und ZDF empfangen kann. Es gibt einen Krimi im ZDF, dessen Ende ich nicht mehr mitbekomme, da ich da längst schon im Tal der Träume verweile.
Solche Tage so gänzlich ohne Termine oder Verpflichtungen sind seltsamerweise ebenso ermüdend wie die mit. Oder ist es die über Monate gewachsene Erschöpfung, die sich jetzt schleichend einen Weg bahnt, da die Widerstände sanft erlahmen?
Mitten in der Nachtausgabe des „Heute Journals“ werde ich wach. Der Wetterbericht verheißt in Deutschland erneute Schneefälle und weitere Minustemperaturen.
Doch all dies ist noch weit weg, genauer gesagt 36 Stunden und um die 1500 Kilometer. Mit ausgeschaltetem TV- Gerät schläft sich’s auch gut. Morpheus nimmt mich wieder in seine längst wieder ausgebreiteten Arme und ich versinke in meinen Träumen, von deren Inhalt ich später nach dem Erwachen mal wieder nichts wissen werde.
Die morgendliche Dusche tut gut und bringt den Kreislauf wieder in Schwung. Das Frühstück ist üppig heute. Ein kleines Büffet wartet auf mich, ich scheine der einzige Gast zu sein.
Frische Panini, Croissants, Käse, Marmelade, Salami, Schinken, Joghurt und Müsli, Kaffee und Orangensaft. Hmm. So lasse ich mir eine „prima colazione“ durchaus gefallen.
In dem Moment, in dem ich gerade ein Croissant der Länge nach aufschneide, meldet sich lautstark mein Handy. Was mich überrascht.
Es ist meine liebe Kollegin D., die fragt, wann ich denn mal wieder zur Arbeit zu kommen gedenke. Man würde schon Sorgen machen und mich obendrein doch so sehr vermissen. Ich muss lachen und erzähle froh gelaunt, dass ich noch in Italien weile, gerade beim Frühstück bin und der Flieger mich am nächsten Tag erst wieder nach Norden trägt. „Hast du es gut, ich wäre jetzt auch lieber in Italien als hier an diesem blöden Schreibtisch.“
Es ist Dienstagmorgen. Ein kleiner Fischkutter stampft laut dieselnd aufs mit Dunst behangene Meer hinaus.
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