W.I.N.D. am 16.10.2009 im Spirit of 66, Verviers (B)

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W.I.N.D.

Lange schon stehen sie auf meiner Liste der unbedingt bald live zu hörenden Bands: W.I.N.D. aus dem italienischen Udine. Heute Abend ist es soweit: Kurz nach 21:30 Uhr steht das Trio auf der Bühne in „meinem 2. Wohnzimmer“, dem Spirit of 66.

Das Ganze beginnt schon vielverheißend mit einem Slidesolo von Anthony Basso auf seiner Lefthand Les Paul Edelkopie aus der italienischen Manufaktur Jim Reed. Hier schon werden deutliche Sound- und Stilanleihen beim seligen Duane Allman deutlich.

Es ist wirklich so: Der Junge stöpselt ein, ein kurzes Knacken und der erste Rutsch mit dem Bottleneck über die Saiten und es ist da und zwar sofort und unabweisbar: Das Gänsehautfeeling. Na, das kann ja was werden! Und wird es dann auch.

Beim Schreiben ist es eine gern gelesene Art, Spannungsbögen aufzubauen. Darauf kann ich heute getrost verzichten, denn die drei Jungs da auf der Bühne tun dies ebenfalls nicht. Hier geht es gleich in die Vollen. Und sie halten das Niveau bis zum Ende des ersten Sets, das derzeit noch etwa 70 Minuten entfernt liegt, um es dann nach der Pause mit der gleichen Power wieder aufzunehmen.

Der Begriff Powertrio wird hier hundertprozentig ausgeschöpft. Vom Sound, vom Stil eindeutig amerikanisch. Während der Titel weist nichts, aber auch rein gar nichts auf italienische Wurzeln hin, man hat stets den Eindruck, einem texanischen Dreigestirn gegenüber zu stehen. Allein bei den Ansagen zu den Songs ist der leichte und durchaus wohltuende, charmante italienische Akzent im Englischen hörbar, der mich an all die Gespräche mit anderen italienischen Musikern an anderer Stelle denken lässt.

Eine Band wie aus einem Guss. Hier stimmt einfach alles. Jeder hat seinen Platz, jeder hat seine Aufgabe und jeder erfüllt das ihm Übertragene aufs Beste.
Fabio Drusin (Bass, Lead Vocals, Harmonika) ist ebenso exzellenter Bassmann wie Sänger. Er teilt sich den Leadgesang mit Anthony Basso. Seine Stimme ist voluminös, tonsicher und und mit einem rauen Timbre gesegnet. Die Licks, die er auf seinem Dan Armstrong Bass spielt, dessen Body aus Plexi geformt ist, gehen über das standardmäßige Tieftongrundlagenbilden hinaus. Wieder einmal ein Bass, der etwas zu „sagen“ hat, gespielt mit einer offensichtlichen Leichtigkeit in sämtlichen Grifflagen, teils sogar in Solopassagen übergehend.

Der Mann an den Drums tut das Seinige, um dieses musikalische Präzisionsuhrwerk am Laufen zu halten. Ideenreich, präzise, druck- und kraftvoll und immer für ein überraschendes Fill-In gut ist das Spiel von Silver Bassi. Immer auf dem Punkt und somit die ideale Ergänzung zu den beiden anderen Musikern.

Die Setliste ist gefüllt mit großartigen Songs aus der Feder von Fabio Drusin und/oder Anthony Basso. «Goin‘ Lazy». «Lucky Man», «Over The Sun» oder «It’s Too Late To Lie», aber auch Klassiker wie «Hoochie Coochie Man», «Dust My Broom» oder «Whippin‘ Post» fehlen nicht, ja dürfen nicht fehlen. Hier werden die musikalischen Vorlagen und Vorbilder mehr als deutlich: Stilistisch bewegen sich die Drei auf dem Gebiet der Allman Brothers und das tun sie mit einer schlafwandlerischen Sicherheit, die einem das Staunen ins Gesicht und das Wohlbefinden ins Herz zaubert. Eingeflochten in diese Titel sind Zitate und damit „Hut ab“ Beweise von anderen Klassikern wie: «I’ve Been Lovin‘ You Too Long», «Ain’t No Love In The Heart Of The City» oder «Long Time Gone».

Es macht so richtig Spaß und gute Laune, dem mehr als zweistündigen Konzert dieses Powerpakets zuzuhören.

Im zweiten Set gibt es einen Gastauftritt des Sängers und Gitarristen der Blitz Blues Band aus Verviers Bobby Winkin. Man improvisiert einen Slowblues , den Gesang teilen sich Bobby und Fabio.

W.I.N.D. den alleinigen Stempel „Southern Rock“ aufzudrücken, ist verfehlt. Die Wurzeln liegen ganz klar im Blues. Das kommt immer wieder durch, verzweigt sich schon mal in den Bluesrock. Doch all diese Schubladen erübrigen sich, wenn man die Gelegenheit hat, mit einer solchen gewachsenen Band einen tollen Abend zu verbringen.

Solo bringt Anthony dann als Zugabe noch Bob Seger’s «On Mainstreet», den er als eines seiner größten Vorbilder nennt.

So geht ein musikalisch dichter und interessanter, Ohren und Herz öffnender Freitagabend zu Ende.

Eine kleine amüsante Anekdote am Rande: Während der Pause baut Raoul vom Spirit of 66 schon mal gemächlich die Mikrofone ab, zieht die Kabel, verstaut die Staive und die Amps. Alle wundern sich, keiner fragt nach. Jeder erwartet eine Überraschung.

Die eigentliche Überraschung ist die, dass Raoul versehentlich gemeint hat, dass Konzert sei bereits beendet. So bleibt nichts anderes übrig als mit Hilfe von Francis, dem Betreiber des Spirit in Nullkommanix die Mikrofonierung wieder vorzunehmen. Publikum und Band sehen dies sehr gelassen, der Stimmung im Saal tut dies keinerlei Abbruch. Nur Raoul muss sich ein paar nette, belustigte Bemerkungen anhören.

Die Publikumsstärke an diesem Freitagabend liegt etwa bei 50-60 Leuten. Auch mal wieder nicht gerade üppig, die Band und die Location hätten mehr verdient.

Mit Anthony habe ich nach dem Gig noch ein kurzes Gespräch, er verrät mir, dass die neue CD so gut wie im Kasten ist, dass es Spaß macht mit Leuten wie Johnny Neel von den Allman Brothers (auf einigen CDs von W.I.N.D. zu hören) zu spielen. Mittlerweile haben sie auch in den USA eine wachsende Fangemeinde. Sicher werden sie nächstes Jahr auch wieder durch Europa touren und Deutschland wird auch dabei sein.

Fazit: W.I.N.D. ist ein heißer Tipp für alle, die die Musik der Allman Brothers, Gov’t Mule und Konsorten mögen. Eine sympathische, hoch motivierte Band, die das Zeug zu ganz viel Mehr hat. Darum beim nächsten Mal unbedingt nicht verpassen.

Text & Fotos © Tony Mentzel

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